Krieg in der Ukraine: Wie in Karlsruhe geflüchtete Familien aufgenommen werden


Nach Angaben des Innenministeriums sind bislang rund 200.000 geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen nach Deutschland gekommen. Die Verteilung läuft schleppend und vielfach auch noch ziemlich unkoordiniert. Dennoch gelingt es immer wieder, schutzsuchende Menschen in deutschen Familien unterzubringen. So auch in der Region um Karlsruhe. Dort engagiert sich unter anderem das Evangelische Kinder- und Jugendwerk Baden in Sachen Flüchtlingsversorgung.

Privatleute helfen der Karlsruher Flüchtlingshilfe

Jutta Berger gehört zu den Leuten, die dem Aufruf der Evangelischen Landeskirche gefolgt sind: „Ich hab das verfolgt, ich bin da auch sehr gerührt über die Zustände in der Ukraine, ich hab mir dann überlegt, weil mein Mann gerade ausgezogen ist, dass ich eigentlich Menschen aufnehmen könnte." Bei ihr in Karlsruhe-Grötzingen haben der 19-jährige Timo und seine Mutter Olena eine Unterkunft gefunden.

Mutter und Sohn sind zwei von insgesamt 30 ukrainischen Flüchtenden, die Pfarrer Jens Adam und sein Team bislang privat untergebracht haben: „Die Karlsruher Flüchtlingshilfe hatte keine Unterkünfte mehr und hat sich aufgrund unserer ersten Pressemeldung an uns gewendet. So hat sich das entwickelt, dass Privatmenschen sich gemeldet haben... und uns war wichtig, die Menschen nicht weiterzuverweisen, sondern zu schauen, wie kriegen wir konkret Unterstützungsangebote hin."

Der Vater und Ehemann musste in der Ukraine bleiben

Für Timo und Olena hat Jutta Berger das Gästezimmer im Erdgeschoss hergerichtet – ein etwa 9 Qudratmeter großer Raum, zwei Matratzen auf dem Boden – ein Koffer und zwei Rucksäcke stehen an die Wand gelehnt. Obwohl sie jetzt definitiv in Sicherheit ist, wirkt Olena traurig und nachdenklich: „Ich bin allen, die uns in Deutschland geholfen haben, sehr dankbar — aber mein Ehemann ist noch immer in der Ukraine, das ist sehr besorgniserregend."

Der 48-jährige Vater und Ehemann von Olena, Wladimir, musste, wie in fast allen ukrainischen Familien, zu Hause bleiben, um die Heimat zu verteidigen. Eigentlich wohnt die Familie Bidenko in Nowosilka, einem Dorf außerhalb von Kiew.

Schwierige Flucht quer durch Osteuropa

Von dort sind Timo und Olena vor gut zwei Wochen geflüchtet, erklärt Timo: „Wir haben unser Dorf morgens verlassen, ich glaube, es war der 4. März. An dem Tag haben wir entschieden, dass wir Richtung Westen gehen, Richtung Westukraine, wo es sicher war, und, ja, dann eben über die Grenze nach Deutschland."

Es seien einige Bomben über ihr Dorf geflogen, aber sie hätten ihre Ziele nicht getroffen, so der 19-Jährige. Das Hauptproblem sei nicht das Bombardement gewesen, weil ihr Dorf auch ziemlich klein sei und keine kritische Infrastruktur besitze, sondern der Mangel an Versorgungsgütern.

Eine Woche lang waren Timo und Olena unterwegs – von ihrem Dorf sind sie an die ukrainisch-polnische Grenze geflüchtet, dann über Wien, Frankfurt, Darmstadt und Heidelberg nach Karlsruhe.

Vorerst in Sicherheit — aber Sorgen um die Zurückgebliebenen

Die 51-jährige Olena, die in der Ukraine als Content Managerin gearbeitet hat, erinnert sich: „Wir sind ohne klare Vorstellungen darüber geflüchtet, wohin wir gehen sollen und wie es sein wird, aber das Hauptproblem war die medizinische Versorgung. Ich bin Diabetikerin, brauche Insulin und andere Medikamente. Also, es war sehr anstrengend, voranzukommen und gleichzeitig sind die Bomben in unmittelbarer Nähe explodiert. Aber, wir hatten die Entscheidung getroffen."

Am 10. März standen Timo und Olena dann bei Jutta Berger in Karlsruhe-Grötzingen vor der Tür. Nun hoffen die beiden, ihre Papiere zusammenzubekommen, um den speziellen Status als ukrainische Flüchtlinge zuerkannt zu bekommen. Damit könne sie in der Europäischen Union arbeiten und Timo könnte sein Studium fortsetzen.

Geschichte hat der 19-Jährige bisher studiert – seine Bachelorarbeit an der Kiew University hat er über die Zeit Heinrich des I. geschrieben. Er teilt die praktischen Sorgen seiner Mutter, aber: „Wir machen uns am meisten Sorgen über die Menschen, die jetzt noch immer in der Ukraine sind."

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