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In der Ukraine kamen in den vergangenen Wochen zahllose Zivilisten ums Leben. Nicht wenige wurden offenbar hingerichtet. Augenzeugen zeichnen schlimmste Bilder nach.
München - In den ersten fünf Wochen des Ukraine-Kriegs waren es die Bilder von Gebäuden. Oder dem, was davon übrig war. Komplett zerstörte Siedlungen und teilweise dem Erdboden gleichgemachte Stadtteile lieÃen erahnen, mit welcher Brutalität Russland über das Nachbarland herfiel. Den Angreifern schien nichts heilig zu sein.
Mit dem Rückzug der Invasoren aus dem Gebiet um Kiew aber wurde nun erst deutlich, welcher Schrecken die Einwohner wirklich heimsuchte. Zahllose Leichen fanden sich auf öffentlichen StraÃen. Einige gefesselt, offenbar wehrlos abgeschlachtet. Dieser Krieg offenbart einmal mehr, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind. Und dass es quasi keine Grenzen zu geben scheint, um den Gegner zu brechen.
Ukraine-Krieg: Zeugin über russische Soldaten - âHaben gewütet und wild um sich geschossenâDie âTagesschauâ berichtet nun unter Bezugnahme auf ein RBB24-Recherche-Team von Schilderungen einiger Zeugen der mutmaÃlichen Massaker an der Zivilbevölkerung. Wie der Geschichte eines Paares mit zehnjähriger Tochter aus Kiew. Gemeinsam mit der GroÃmutter seien die drei Ende Februar in ein 40 Kilometer entferntes Dorf nordöstlich der Hauptstadt geflohen. Dort besitzen sie eine Datsche, also ein Wochenendhaus samt Grundstück.
Am 3. März seien erstmals russische Truppen im Ort aufgetaucht. Die 46-Jährige berichtet: âDie Soldaten haben gewütet und wild um sich geschossen. Sie gingen von Haus zu Haus, verlangten nach Alkohol und beraubten die Leute.â Sechs Tage später sei ihr Küchenfenster am Abend von Schüssen getroffen worden: âWir haben gerufen: âWir sind unbewaffnet! Hier sind Kinder!â Daraufhin haben sie uns aufgefordert, die Tür zu öffnen.â
Dann seien zwei Soldaten mit Maschinengewehren eingedrungen und hätten die Familie gezwungen, in einen zwei Meter tiefen Pumpenschacht hinabzusteigen. Nur die GroÃmutter durfte oben bleiben, sei nicht weiter beachtet worden.
Russische Soldaten in Ukraine: Wegen Zigaretten âmeinen Mann in den Kopf geschossenâAuf die Forderungen nach Zigaretten habe ihr Mann geantwortet, dass er selbst seit vier Tagen nichts mehr zu rauchen habe. Das war offenbar sein Todesurteil: âDaraufhin befahl der eine dem anderen Soldaten: âMach ihn fertig!â Dann hat er meinen Mann zuerst in den Arm und dann in den Kopf geschossen.â
Ein zerstörtes Fahrzeug liegt umgekippt vor einem beschädigten Wohnhaus. Angesichts der schockierenden Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen schärfere Sanktionen gegen Russland vor. © Sergei Chuzavkov/dpaEr habe zwar zunächst noch gelebt, sei jedoch zu geschwächt gewesen, um die Nacht zu überstehen. Während die 46-Jährige mit ihrer Tochter und ihrem Mann im Pumpenschacht eingesperrt gewesen seien, hätten sie gehört, wie das Haus durchsucht wird. Befreien können sich die beiden erst, als die Soldaten weitergezogen sind. In der Datsche wartet die GroÃmutter.
Angriffe auf Zivilisten in Ukraine: Mann wegen Camouflage-Jacke im Auto erschossen?Am Abend werden die Frauen von einem Nachbarn aufgenommen und treffen auf andere Opfer. Eine von ihnen habe berichtet, dass ihr Mann ermordet worden sei, nachdem die Soldaten in seinem Auto eine Camouflage-Jacke gefunden hatten. Die Begründung habe gelautet: âIch habe ihn erschossen, weil er ein Nazi war.â
Die betrunkenen Täter hätten sie selbst mehrfach vergewaltigt. Ihr vierjähriger Sohn habe in dieser Zeit im angrenzenden Heizungsraum geweint. Gemeinsam seien sie anschlieÃend entkommen.
Am 10. März fliehen die Frauen über NebenstraÃen in den nächstgröÃeren Ort. âWir wollten nur raus aus dieser Hölleâ, wird die 46-Jährige aus Kiew zitiert. Der Fall der anderen Frau liegt mittlerweile auf dem Tisch der ukrainischen Generalstaatsanwältin, es werde wegen des Vorwurfs eines Mordes und einer Vergewaltigung ermittelt.
Gräueltaten in der Ukraine: Acht oder neun Menschen laut Zeuge aus Keller gezerrt und exekutiertDas RBB24-Recherche-Team sprach auch mit einem Geflüchteten, den die Journalisten in Berlin trafen. Er schilderte Exekutionen in Irpin. Soldaten hätten Lebensmittel aus einem Geschäft in einem neunstöckigen Haus plündern wollen, als sie Stimmen vernommen hätten: âDie Besatzer kamen rein und zerrten die Menschen, es waren acht oder neun Personen, aus dem Keller. Und sie haben alle sofort erschossen.â
All das klingt viel zu schrecklich, um wahr zu sein. Die âTagesschauâ betont auch, dass es sich zwar um Augenzeugenberichte handele, diese aber noch von unabhängiger Seite überprüft werden müssten. Experten erklären jedoch, dass diese Schilderungen auf Kriegsverbrechen hindeuten würden.
Mitarbeiter von âAmnesty Internationalâ würden bereits Beweise vor Ort sammeln, um den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einschalten zu können, heiÃt es in dem Bericht weiter. Derweil gehen in Deutschland Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Bundesanwaltschaft den Vorwürfen nach. Wie diese Ermittlungen enden werden, ist noch nicht absehbar. Es wird jedoch immer mehr zur Gewissheit, dass in der Ukraine wirklich niemand vor dem Grauen dieses Kriegs sicher ist. (mg)
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