Russland hat nach Angaben des ukrainischen Militärs seine Luftangriffe verstärkt. Binnen 24 Stunden habe man mehr als 250 Einsätze registriert, heißt es im Morgenbericht des ukrainischen Generalstabs am Donnerstag. Am Vortag seien es 60 weniger gewesen. Die Hauptziele seien weiterhin Einrichtungen der militärischen und zivilen Infrastruktur in den Gebieten Kiew, Tschernihiw und Charkiw. Moskau gibt dagegen an, nur militärische Ziele anzugreifen.
Am Mittwoch seien zudem elf „feindliche Luftziele" getroffen worden, darunter Flugzeuge, ein Hubschrauber und Marschflugkörper. Genauere Information darüber hole man noch ein, hieß es weiter.
In den von russischen Truppen besetzten Gebieten „terrorisiere" Russland die lokalen Bewohner, die gegen die Besetzung demonstrierten, wurde weiterhin erklärt. Einheiten der russischen Nationalgarde würden eingesetzt, um derartige Proteste zu unterbinden. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.
Druck auf russische Truppen wächstWestliche Militärvertreter berichten von Geländegewinnen der ukrainischen Streitkräfte im Kampf gegen die russischen Angreifer. Der ukrainischen Armee ist es nach Angaben eines Pentagon-Vertreters vom Mittwoch gelungen, die russischen Truppen im Osten von Kiew binnen 24 Stunden mehr als 30 Kilometer zurückzudrängen. „Wir beginnen zu sehen, wie sie sich verschanzen und Verteidigungspositionen aufbauen", fügte er hinzu.
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Internationale MilitärhilfeNoch am Dienstag hatte das US-Verteidigungsministerium erklärt, die russischen Streitkräfte stünden noch rund 20 Kilometer vom Zentrum der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Nun sagte der Vertreter, „den Ukrainern ist es gelungen, die Russen 55 Kilometer östlich und nordöstlich von Kiew zurückzudrängen".
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko
Quelle: dpa/Vadim Ghirda
Zuvor hatte bereits der Bürge rmeister von Kiew, Vitali Klitschko, erklärt, dass ukrainische Streitkräfte „die kleine Stadt Makariw und fast ganz Irpin" wieder unter ihrer Kontrolle hätten. AFP-Journalisten berichteten von heftigem Artilleriebeschuss in Irpin.
Der britische Militärgeheimdienst erklärte, die Ukraine habe „wahrscheinlich Makariw und Moschun" nordwestlich der Hauptstadt zurückerobert. „Es besteht die realistische Möglichkeit, dass die ukrainischen Streitkräfte nun in der Lage sind, russische Einheiten in Butscha und Irpin einzukesseln".
Im Kiewer Vorort Browary seien russische Truppen gestoppt worden, heißt es in dem in der Nacht zu Donnerstag auf Facebook veröffentlichten Bericht des ukrainischen Generalstabs. Es sei ihnen nicht gelungen, die ukrainischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, um den nordwestlichen Stadtrand der Hauptstadt Kiew zu erreichen.
Isjum und Tschernihiw weiter umkämpftIn dem Gebiet rund um die belagerte Stadt Isjum versucht en russische Einheiten, Abwehrstellungen der ukrainischen Streitkräfte in den südlich von Isjum gelegenen Dörfern Donezke, Topolske und Kamjanka zu durchbrechen, hieß es weiter. Die Gefechte dort dauerten an.
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Mit „sehr, sehr festem" Widerstand der Ukrainer seien die russischen Truppen weiterhin im schwer umkämpften Charkiw im Osten der Ukraine konfrontiert, sagte er weiter. Dort stünden die russischen Streitkräfte noch 15 bis 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
Ein ukrainischer Soldat auf seinem Posten vor Charkiw
Quelle: AFP/SERGEY BOBOK
Ein ukrainischer Soldat in Charkiw mit einer Panzerabwehrrakete vom Typ FGM-148 Javelin aus den USA
Quelle: AFP/SERGEY BOBOK
Dem Pentagon-Vertreter zufolge konzentriert sich die russische Armee inzwischen verstärkt auf die prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk. Demnach verfolgt das russische Militär offenbar die Strategie, die entlang der früheren Frontlinie in der Ostukraine stationierten ukrainischen Streitkräfte zu „binden", damit sie „nicht anderswo eingesetzt werden können".
Kaum Veränderungen machte das Pentagon in der Umgebung der Schwarzmeer-Metropole Odessa aus. Anders als zu Wochenbeginn seien in den vergangenen 48 Stunden keine Raketen mehr von russischen Schiffen aus in Richtung der Hafenstadt abgefeuert worden, sagte der Pentagon-Vertreter.
Berdjansk weiter unter russischer KontrolleDerweil nutzte die russische Marine den Hafen von Berdjansk am Asowschen Meer zum Auftanken ihrer Schiffe. Berdjansk ist eine der wenigen ukrainischen Städte, die sich seit einem Monat nach Beginn der russischen Invasion unter der Kont rolle der russischen Armee befinden.
Auch im Gebiet Donezk sei die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Einheiten unter Beschuss. Russische Truppen wollten in dem Gebiet vor allem die Orte Werchnoterezke, Marjinka und die Großstadt Mariupol einnehmen. Sie versuchten auch ohne Kampf die Positionen ukrainischer Truppen zu passieren und sich vorwärts zu bewegen.
In dem Gebiet Luhansk konzentrierten sich die Anstrengungen auf die Städte Rubischne mit 60.000, Sjewjerodonezk mit 100.000 und Popasna mit 20.000 Einwohnern, heißt es in dem Bericht weiter. Bei Popasna versuchten sie mit Artillerie-Unterstützung weiter in die Stadt vorzudringen, was aber nicht gelinge.
Ein zerstörter Radschützenpanzer, der wahrscheinlich den Verteidigern des Asow-Bataillons gehört, neben einem zerstörten Wohnkomplex in Mariupol
Quelle: dpa/Maximilian Clarke
Menschen in Popasna kochen vor ihren Wohnungen im Freien
Quelle: AFP/ANATOLII STEPANO V
Auch im Norden des Landes dauerten die Kampfhandlungen an. Russische Einheiten hätten am Mittwoch die Orte Kalinowka, Horinka, Romanowka oder die nordöstlichen Randgebiete der Hauptstadt Kiew mit Artillerie beschossen. Russische Truppen verminten in dem Gebiet auch Bereiche. Auch diese Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.
Rund 4500 Evakuierungen aus mehreren ukrainischen StädtenIm Laufe des Tages sind zudem mehr als 4500 Menschen aus belagerten und umkämpften Städten evakuiert worden. Das teilte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, am Mittwochabend (Ortszeit) auf Telegram mit. Der Großteil von ihnen, fast 3000 Menschen, habe aus der Hafenstadt Mariupol kommend mit privaten Transportmitteln die Großstadt Saporischschja erreicht.
Ein russischer Soldat bewacht Einwohner von Mariupol, die für humanitäre Hilfen wie Essen und Trinken anstehen
Quelle: REUTERS
Einwohner von Mariupol, die für Verpflegung anstehen
Quelle: REUTERS
Einwohner von Mariupol, die ins russische Taganrog an der Küste des Asowschen Meers gebracht wurden
Quelle: REUTERS
Weitere Evakuierungen habe es zudem aus dem Ort Huljajpole, dem Gebiet Luhansk und drei Dörfern im Gebiet Kiew gegeben. Laut Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk hätten sieben von neun geplanten Korridoren funktioniert. Bei zwei Fluchtwegen seien Autobusse von russischen Einheiten an Kontrollpunkten aufgehalten worden, sagte sie in einer Videobotschaft am Mittwochabend. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden.
Von russischer Seite hieß es, rund 8500 Bewohner Mariupols seien ohne Beteiligung der Kiewer Führung evakuiert worden. Das teilte der russische Generalmajor Michail Misinzew am Mittwochabend laut russischer Agentur Interfax mit. Russland und Ukraine geben sich regelmäßig gegenseitig die Schuld, wenn humanitäre Korridore nicht funktionieren.
Eine Familie kocht über einem offenen Feuer vor ihrem zerstörten Haus in Mariupol
Quelle: dpa/Maximilian Clarke
Benommen und mit getrocknetem Blut bedeckt starrt ein Mann in Mariupol in die Kamera, während er zu Fuß zu einem Kontrollpunkt geht, der aus der belagerten Stadt führt
Quelle: dpa/Maximilian Clarke
Aus Russland hieß es zudem, rund 180 Bewohner zweier Dörfer in der Region Belgorod an der ukrainischen Grenze seien am Mittwochabend evakuiert worden. Dies berichtete die Agentur Interfax in der Nacht zu Donnerstag mit Berufung auf einen Bürgermeister. Am Mittwoch hatte es von russischer Seite geheißen, eine Granate sei aus der Ukraine eingeschlagen, woraufhin die Behörden den Katastrophenfall ausriefen. Aus der Ukraine gab es zunächst keine Bestätigung für den Vorfall.
Gesichtserkennung identifiziert Leichen russischer SoldatenDie Ukraine setzt Gesichtserkennungssoftware von Clearvie w AI ein, um die Leichen gefallener russischer Soldaten zu identifizieren und ihre Familien ausfindig zu machen, sagt der ukrainische Vizepremierminister Mykhailo Fedorow. „Aus Höflichkeit gegenüber den Müttern dieser Soldaten verbreiten wir diese Informationen über die sozialen Medien, damit die Familien zumindest wissen, dass sie ihre Söhne verloren haben, und damit sie die Möglichkeit haben, die Leichen abzuholen", sagt Fedorow in einem Reuters-Interview. Gegner der Gesichtserkennung, darunter auch Bürgerrechtsgruppen, haben die Einführung der Clearview-Software in der Ukraine abgelehnt. Sie verweisen auf mögliche falsche Identifizierungen.
Quelle: Infografik WELT/Jörn Baumgarten
Nach Einschätzung der Nato sind in der Ukraine bislang zwischen 7000 und 15.000 russische Soldaten getötet worden. Grundlage der Zahlen seien Angaben der Ukrainer, in Russland verbreitete Informationen sowie nachrichtendienstliche Erkenntnisse, sagte ein ranghoher Mil itär, der anonym bleiben möchte.
Seit Beginn der russischen Invasion sind nach ukrainischen Angaben 121 Kinder getötet worden. Das teilt die Generalstaatsanwaltschaft auf Telegram mit. 167 Kinder seien verletzt worden. Diese Angaben konnten zunächst nicht verifiziert werden.
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