Ukraine-Krieg: Russland droht schwerster Konjunktureinbruch seit 1994


12. April 2022, aktualisiert 12. April 2022, 12:02 Uhr

Im Zuge der westlichen Sanktionen erwartet die russische Regierungen einen zweistelligen Konjunktureinbruch. Die Lage im Überblick.

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  • Russland droht schwerster Konjunktureinbruch seit 1994

    Die russische Regierung erwartet wegen der westlichen Sanktionen nach der russischen Invasion der Ukraine den stärksten Konjunkturabsturz seit 1994. „Die offizielle Prognose dürfte eine Schrumpfung um mehr als zehn Prozent vorsehen“, sagte Rechnungshofchef Alexej Kudrin am Dienstag nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA. Das werde aus den neuen Prognosen des Wirtschafts- und Finanzministeriums hervorgehen, sagte Kudrin, der von 2000 bis 2011 unter Präsident Wladimir Putin selbst das Finanzressort leitete.

    Ein Regierungsinsider sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes zwischen zehn und 15 Prozent zu rechnen sei. Ein zweistelliges Minus hatte es nach Daten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) zuletzt 1994 im Gefolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion gegeben. Ursprünglich hat Moskau für 2022 mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent geplant, nach 4,7 Prozent im vergangenen Jahr.

    Stark steigen dürften hingegen die Verbraucherpreise. Von Reuters befragte Analysten rechnen mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von fast 24 Prozent im laufenden Jahr. Das wäre die stärkste Teuerung seit 1999. Offiziellen Daten zufolge sind die Verbraucherpreise im März um fast 17 Prozent zum Vorjahresmonat gestiegen, nach 9,15 Prozent im Februar. Zucker kostete 44 Prozent mehr als einen Monat zuvor, Zwiebeln und Waschmaschinen jeweils rund die Hälfte mehr. Eigentlich strebt die russische Zentralbank eine Inflationsrate von vier Prozent an.

    Die westlichen Verbündeten haben als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine Sanktionen geschnürt, die seither mehrfach verschärft wurden. So wurde Russland weitgehend vom internationalen Zahlungssystem Swift abgeklemmt, der Handel etwa mit Hochtechnologie stark eingeschränkt.

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    Bericht über Giftgasangriff in Mariupol

    Kurz nach einer russischen Drohung mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Mariupol sei dort eine unbekannte Substanz mit einer Drohne abgeworfen worden, teilte Asow am späten Montagabend mit. Der öffentlich-rechtliche ukrainische TV-Sender Suspilne berichtete aber, es gebe keine Bestätigung durch offizielle Stellen. Den Asow-Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen. Der ehemalige Asow-Kommandeur Andryj Bilezkyj berichtete von drei Personen mit Vergiftungserscheinungen.

    Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es in dem vor fast sieben Wochen begonnenen Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte. Nach den Berichten aus Mariupol schrieb die britische Außenministerin Liz Truss auf Twitter, jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine Eskalation, für die man den russischen Präsidenten Putin und seine Führung zur Verantwortung ziehen werde.

    Am Montag hatte der Militärsprecher der prorussischen Separatisten von Donezk, Eduard Bassurin, gesagt, die ukrainischen Kämpfer seien in die Stahlfabrik Asowstal abgedrängt worden. Ein Kampf um die Befestigungen auf dem Fabrikgelände wäre zu verlustreich. Deshalb sollte man auf chemisch bewaffnete Truppen setzen, sagte er. Im Syrien-Krieg hat Russland nicht selbst Chemiewaffen eingesetzt, aber den nachgewiesenen Abwurf von Bomben mit Giftgas durch die syrische Regierung gedeckt und abgestritten.

    Selenskyj klagt über fehlende Waffen

    Der Ukraine fehlen nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj die schweren Waffen, um das fast verlorene Mariupol zu befreien. „Wenn wir Flugzeuge und genug schwere gepanzerte Fahrzeuge und die nötige Artillerie hätten, könnten wir es schaffen“, sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache. Er sei zwar sicher, dass die Ukraine irgendwann die Waffen bekommen werde, die sie brauche. „Aber nicht nur Zeit geht verloren, sondern auch das Leben von Ukrainern.“ Auch er sprach von möglichen Chemiewaffenangriffen Russlands. Dies sollte für ausländische Staaten Anlass sein, noch härter auf die russische Aggression zu reagieren, sagte Selenskyj.

    Durch den Krieg sei die Ukraine das am stärksten minenverseuchte Land der Welt, sagte der Präsident. Über der Großstadt Charkiw warfen russische Einheiten nach Angaben der Gebietsverwaltung sogenannte Verzögerungsminen ab, die erst auf Bewegung reagieren. Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen. Durch Artilleriebeschuss wurden in dem Gebiet mindestens acht Zivilisten getötet.

    Vor der großen Schlacht im Osten

    Das Kommando der ukrainischen Armee in der Ostukraine teilte mit, man habe im Gebiet Donezk an sechs Stellen russische Angriffe abgewehrt. Die Ukraine unterhält dort besonders starke Truppen, die seit 2014 die Front gegen die von Moskau gelenkten und ausgerüsteten Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk halten.

    Die russische Armee werde voraussichtlich versuchen, diese ukrainischen Verbände „einzukesseln und zu überwältigen“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Die US-Regierung verwies darauf, dass Moskau erstmals einen Befehlshaber für den Feldzug in der Ukraine bestimmt habe, den Armeegeneral Alexander Dwornikow. Er befehligte zeitweise den russischen Einsatz in Syrien, bei dem mit Bombardements aus der Luft die Macht von Präsident Baschar al-Assad wiederhergestellt wurde.

    Den westlichen Einschätzungen nach könnte ein russischer Angriff von Norden aus Richtung Charkiw und Isjum erfolgen. Satellitenbilder zeigten vor Isjum einen kilometerlangen Konvoi mit Fahrzeugen zur Unterstützung von Infanterie, Kampfhubschrauber und Kommandostellen, sagte ein Pentagon-Vertreter. Ein zweiter Zangenangriff wird von Süden erwartet. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fühlte sich bei der kommenden Schlacht bereits an die Panzerschlachten in Südrussland im Zweiten Weltkrieg erinnert.

    Bei dem Vormarsch im waldigen Norden der Ukraine nach dem 24. Februar waren die russischen Truppen schnell steckengeblieben, die Ukrainer konnten aus dem Hinterhalt viele Konvois bewegungsunfähig schießen. Im Osten der Ukraine könnten die russischen Truppen kompakter stehen, ihre Nachschublinien seien kürzer, sagten US-Militärexperten. In der offenen Steppenlandschaft ohne Deckung seien die gepanzerten russischen Verbände im Vorteil. Andere Experten sagten voraus, der Nachschub bleibe auch im Osten ein Problem für die russische Armee.

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