Aber klare Ansagen gegenüber der AfD
Kretschmers Verhalten ist vielen ein Rätsel. Dabei kann er durchaus entschlossen handeln, wie sein Engagement gegen Rechtsextremismus zeigt, den er immer wieder deutlich als größte Gefahr für das Land bezeichnet. Das war auch für Sachsens CDU neu, die bis dahin noch jeden, der das Thema auch nur ansprach, des Sachsen-Bashings bezichtigte. Kretschmer aber zeigt klare Kante auch gegenüber der AfD, im Landtag attackiert kaum jemand die Partei so hart wie er, an keinem anderen arbeiten sich die Rechtsradikalen so ab wie an ihm. Mit diesem Kurs hatte er, auch weil ihn natürlich eine Mehrheit unterstützt, bei der Landtagswahl Erfolg.
Samstags um 9.00 Uhr
ANMELDENDoch das ist mehr als zweieinhalb Jahre her. Die Realität ist heute eine andere, vor allem, weil es mehr als eine davon gibt. „Als ich angefangen habe, ging es um unsere sächsische Heimat", sagt Kretschmer. „Es ging um das Zutrauen, gemeinsam etwas aufbauen zu wollen." Mit konkreten Maßnahmen versuchte er damals, die Unzufriedenheit aufzufangen, gab den Kommunen mehr Geld, stärkte Ehrenamtler, ließ Breitband in ländlichen Regionen legen. „Das zählt jetzt alles nicht mehr, weil viele Leute in anderen Realitäten leben, die sie aus dem Internet haben." Nahezu täglich wird er mit Verschwörungserzählungen und üblen Gerüchten konfrontiert, er erhält Schmähungen und Todesdrohungen. „Ich schaue mir das in der Regel nicht an", sagt er. Alles, was strafrechtlich relevant ist, bringt sein Büro zur Anzeige.
„Ich werde mich nicht verstecken"Er selbst kämpft dafür, Chatgruppen wie die der rechtsextremen Minipartei „Freie Sachsen" einzuschränken, in denen vor großem Publikum übel gehetzt und zum Systemsturz aufgerufen wird. Den frei gewählten Regierungschef bezeichnen die Macher als „Despoten", dessen „Söldner und Milizen", gemeint ist die Polizei, unschuldige Bürger „niederknüppeln". Als Kretschmer im Januar die mittelsächsische Kleinstadt Frankenberg besuchte, empfingen ihn 200 „Freie Sachsen" mit Pfiffen und Gejohle. Er hätte schnell im Rathaus verschwinden können, aber er stellte sich der Meute.
Doch keiner der Angesprochenen war auch nur zu einem klaren Satz fähig. Kretschmer musste für den Gesprächsversuch heftige Kritik einstecken, aber er hat damit auch den Nimbus der Protestler zerstört, die nun nicht mehr behaupten können, er stelle sich nicht. „Es ist eine Gratwanderung", sagt er. „Aber ich werde mich nicht verstecken. Demokratie lebt vom Mut, für seine Meinung einzustehen."
Kretschmer will sich „dem Dialog stellen" – doch das Gegenüber ist dazu kaum in der Lage: mit aufgebrachten Gegnern der Corona-Maßnahmen im Januar in Frankenberg : Bild: dpaIm Sommer sind Kommunalwahlen in Sachsen, viele Bürgermeister und fast alle Landräte werden neu gewählt. Letztere sind bisher fest in der Hand der CDU, doch viele Amtsinhaber gehen in den Ruhestand. Die AfD, die in Sachsen bisher keinen einzigen Bürgermeister oder Landrat stellt, will die Bastion endlich schleifen.
Für Kretschmer wird das ein Stimmungstest, die CDU ist hier längst nicht mehr der Platzhirsch. Es fehlen gute und vor allem junge Leute. „Die Zukunft einer Region hängt immer von den Leuten ab, die da leben", sagt Kretschmer. Leider seien viele nicht mehr da. „Die AfD", da sei er sich jedoch sicher, „wird trotzdem nichts reißen." Das sehe man immer klarer. „Sie kann die Empörungsspirale nicht ewig aufrechterhalten." Das sei für die CDU und andere demokratische Parteien auch eine Chance. „Aufgeben", sagt Kretschmer, „ist keine Option."
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