Ukraine-Krieg: Putin prüft Optionen für Fall von Nato-Beitritt Schwedens oder Finnlands


14. April 2022, aktualisiert 14. April 2022, 12:41 Uhr

Die russischen Nachbarländer Schweden und Finnland beraten über den Einstieg in das Militärbündnis, der Kreml reagiert umgehend. Zeitgleich rüstet der Westen die Ukraine weiter massiv auf. Die Lage im Überblick.

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  • Der russische Präsident Wladimir Putin prüft nach Angaben seines Sprechers Sicherheitsmaßnahmen für den Fall, dass Schweden oder Finnland der Nato beitreten. Dies werde geschehen, sobald das Verteidigungsministerium Putin Vorschläge unterbreitet habe, wie die Sicherheit Russlands in einem solchen Fall gestärkt werden solle, sagt Dmitri Peskow. Das Ministerium brauche dafür noch Zeit, sagt der Präsidialamtssprecher in einer Telefonkonferenz mit der Presse. Zuvor hat Dmitri Medwedew, einer der engsten Vertrauten Putins erklärt, Russland müsse seine Verteidigung in der Region verstärken, sollten Finnland oder Schweden der Nato beitreten.

    Medwedew warnt die NATO

    Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew warnt die Nato vor einer Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Militärbündnis. Sollte es dazu kommen, müsste Russland seine Verteidigung aufstocken. Von einem „nuklearfreien Status des Baltikums“ könne dann keine Rede mehr sein, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats und Putin-Vertraute. „Das Gleichgewicht muss hergestellt werden.“ Bis heute habe Russland solche Maßnahmen nicht ergriffen und dies auch nicht vorgehabt.

    Führen Gespräche über Auslandshilfe in Höhe von acht Milliarden Dollar

    Die Ukraine führt nach eigenen Angaben Gespräche mit ausländischen Partnern über Finanzhilfen in Höhe von rund acht Milliarden Dollar. Mehr als 3,5 Milliarden Dollar Budget-Unterstützung habe das Land bereits erhalten, erklärt Finanzminister Serhij Martschenko. Auf die Frage, ob die Ukraine ihre Auslandsschulden umstrukturieren müsse, antwortet er, das Land habe mit diesen Schulden derzeit keine Probleme. 80 Prozent der Verpflichtungen, die die Ukraine derzeit bediene und zurückzahle, seien inländische Schulden.

    Ukraine: Neun Fluchtkorridore im umkämpften Donbass

    Vor dem befürchteten russischen Großangriff in der Ostukraine sind in den umkämpften Regionen Luhansk und Donezk nach Angaben der Regierung in Kiew neun Fluchtkorridore eingerichtet worden. Eine Fluchtmöglichkeit gebe es für Privatfahrzeuge aus der besonders hart umkämpften Hafenstadt Mariupol im Gebiet Donezk in Richtung der Stadt Saporischschja, teilte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk mit.

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    Acht weitere Korridore seien in der Region Luhansk eingerichtet worden â€" mit vorläufigem Ziel Bachmut. Sie könnten aber nur funktionieren, wenn der Beschuss von russischer Seite eingestellt werde, sagte Wereschtschuk. Zudem solle ein Evakuierungszug aus Pokrowsk über Kiew nach Tschop im Südwesten der Ukraine fahren, hieß es in der Hauptstadt. Die ukrainische und die russische Seite werfen sich immer wieder gegenseitig vor, die Evakuierung der Ortschaften sowie die Flucht von Zivilisten über die Korridore zu sabotieren. Die Routen werden jeden Tag neu angekündigt. Am Mittwoch hatte es keine gegeben.

    Polens Präsident nach Kiew-Reise: Russland führt „totalen Krieg“

    Nach seiner Rückkehr aus Kiew hat Polens Präsident Andrzej Duda Russland vorgeworfen, in der Ukraine einen „totalen Krieg“ zu führen. Die Eindrücke aus dem von Luftangriffen und Raketen zerstörten Ort Borodianka werde er nie vergessen, sagte Duda im südpolnischen Przemysl. Er hoffe, sein gemeinsamer Besuch mit den Präsidenten Litauens, Lettlands und Estlands bei dem ukrainischen Staatsoberhaupt Wolodymyr Selenskyj sei sichtbares Zeichen der Unterstützung für die Verteidiger der Ukraine.

    Duda war am Dienstagabend zusammen mit Litauens Präsidenten Gitanas Nauseda, Lettlands Staatschef Egils Levits und Estlands Präsidenten Alar Karis nach Kiew gereist. Ursprünglich hatte Duda angeregt, dass auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an der Reise teilnimmt. Allerdings gab es Signale aus Kiew, dass Steinmeier dort nicht willkommen sei.

    Westen rüstet die Ukraine massiv auf

    Russische Truppen verstärken nach ukrainischen Angaben ihre Aktivitäten im Osten und im Süden des Landes. Sie versuchten, ihre Verluste auszugleichen, die Bomben- und Artillerieangriffe gingen weiter, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht zu Donnerstag. In Kürze wird mit einer russischen Großoffensive gerechnet. Die USA und die Europäische Union (EU), darunter auch Deutschland, wollen die Ukraine daher massiv aufrüsten. Umso mehr stößt die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers durch die Führung der Ukraine weiter auf Unverständnis und Kritik.

    Russen melden Einnahme des Hafens von Mariopol

    Die russische Armee brachte nach eigenen Angaben den Hafen der weitgehend zerstörten ukrainischen Stadt Mariupol inzwischen komplett unter ihre Kontrolle. Der Handelshafen sei von ukrainischen Asow-Kämpfern „befreit“ worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Die verbliebenen ukrainischen Truppen seien „blockiert und der Möglichkeit beraubt, aus der Einkesselung zu entkommen“. Von ukrainischer Seite gab es dafür keine Bestätigung. Dem US-Kriegsforschungsinstitut Institute for the Study of War (ISW) zufolge werden die russischen Truppen die Stadt „wahrscheinlich“ in der kommenden Woche erobern, wie es in der Nacht zu Donnerstag hieß.

    Evakuierung russischen Raketenkreuzers

    Die Besatzung des russischen Raketenkreuzers „Moskwa“ („Moskau“) ist nach Angaben aus Moskau derweil vollständig evakuiert worden. Das Schiff der Schwarzmeerflotte sei durch die „Detonation von Munition infolge eines Brandes“ schwer beschädigt, berichtete die russische Agentur Tass in der Nacht zu Donnerstag unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Wenige Stunden zuvor hatte es aus Kiew geheißen, der Raketenkreuzer sei von einer ukrainischen Anti-Schiffsrakete getroffen worden. Das Kriegsschiff soll nach ukrainischen Angaben habe eine Besatzung von über 500 Matrosen haben.

    Ukrainer räumen Minen im Norden

    Russische Truppen sollen ukrainischen Angaben zufolge große Mengen an nicht explodierten Sprengvorrichtungen im Norden des Landes hinterlassen haben. Zehntausende nicht detonierter Granaten oder Minen seien in dem Gebiet, sagte Selenskyj. Die Minenräumung dauere an. Die militärische Lage unterscheide sich aktuell nicht wesentlich von der der vergangenen Tage. Russische Truppen verstärkten ihre Aktivitäten im Osten und Süden. Dies konnte nicht unabhängig geprüft werden.

    Westen rüstet Ukraine auf

    Angesichts der erwarteten Großoffensive Russlands im Osten der Ukraine stellen die USA und die EU zusammen über 1,2 Milliarden Euro für Waffenlieferungen an Kiew bereit. Die USA kündigten an, sie wollten der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von bis zu 800 Millionen Dollar (740 Millionen Euro) liefern. Darunter seien Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber. US-Präsident Joe Biden erklärte nach einem Gespräch mit Selenskyj, die neuen Lieferungen sollten die Ukraine insbesondere angesichts des befürchteten Großangriffs in der Donbass-Region unterstützen.

    Weiter Kritik an Ausladung von Bundespräsident Steinmeier

    Während auch Deutschland die Ukraine weiter unterstützt, reißt die Kritik an der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine nicht ab. „Der Bundespräsident ist Deutschland. Und deswegen ist seine Ausladung durch Präsident Selenskyi eine Ausladung Deutschlands“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). „Ich muss es leider so sagen: Die ukrainische Seite hat einen diplomatischen Fehler gemacht.“ Selenskyj erklärte am Mittwochabend, es habe keine Anfragen des Bundespräsidenten zu einem Besuch gegeben. Habeck sagte auf die Frage, ob er oder Kanzler Olaf Scholz (SPD) in die Ukraine reisen: „Jetzt sollten wir alle schnell zusehen, dass wir das Problem lösen und nicht eskalieren. Dafür wurden Telefone ja erfunden.“ Unterdessen wollen auch die USA laut dem US-Nachrichtenportal Politico möglicherweise einen ranghohen Vertreter nach Kiew schicken.

    Lesen Sie auch: Selenskyjs Affront gegen Steinmeier hat einen Grund

    Selenskyj lobt Polen und Baltikum

    Der ukrainische Präsident lobte unterdessen Polen, Lettland, Litauen und Estland für ihren Einsatz für sein Land. Der Besuch der Präsidenten der „vier Staaten â€" Freunde der Ukraine“ am Mittwoch sei nützlich und fruchtbar gewesen, sagte Selenskyj. Es seien die Präsidenten jener Länder gewesen, die der Ukraine vom ersten Tag an geholfen hätten, die nicht gezögert hätten, Waffen an Kiew zu liefern und keine Zweifel an Sanktionen gegen Russland gehabt hätten. Sie sagten Kiew weiter militärische und humanitäre Hilfe zu und versprachen, sich für eine EU-Aufnahme der Ukraine einzusetzen.

    Kritik an Waffenlieferungen

    Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich vehement gegen deutsche Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. „Wir würden eine Linie überschreiten, wenn wir Panzer oder Flugzeuge liefern oder gar eine Flugverbotszone einrichten. Diese Linie gilt es zu halten“, sagte Kretschmer der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Deutschland leiste enorm viel, dürfe aber nicht zur Kriegspartei werden.

    Russische Folter-Vorwürfe an Ukraine

    Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew reagierte erbost auf die Festnahme des prorussischen Politikers Viktor Medwedtschuk in der Ukraine und erhob schwere Vorwürfe gegen Kiew. „Vereinzelte Missgeburten, die sich selbst als „ukrainische Regierung“ bezeichnen, erklären, dass sie ein Geständnis aus Viktor Medwedtschuk herausprügeln, ihn „schnell und gerecht“ verurteilen und dann gegen Gefangene austauschen wollen“, schrieb Medwedew auf seinem Telegram-Kanal. Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, warf Kiew Foltermethoden vor â€" ohne dafür jedoch Beweise zu liefern.

    Das wird heute wichtig

    In Berlin geht die Diskussion um die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine weiter. Außerdem sorgt die Reise deutscher Politiker in die ukrainische Hauptstadt für eine anhaltende Debatte.

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