Wegen des russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wird in Deutschland der Ruf nach einem Importstopp für Gas und Öl aus Russland auch immer lauter. (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul)
Der frühere Bundestagspräsident Schäuble spricht sich für einen Stopp russischer Lieferungen von Erdgas und Erdöl an Deutschland aus. Der CDU-Politiker sagte der "Welt am Sonntag", auch wenn es bitter werde, müsse man schnellstmöglich darauf verzichten. Deutschland dürfe nicht immer der Bremser im westlichen Bündnis sein. Ähnlich äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Röttgen. "Die deutsche Position, weiter Gas und Öl aus Russland zu kaufen, wird keinen Bestand haben", sagte Röttgen der "Augsburger Allgemeinen". Es werde mehr und mehr Tote und Flüchtende in der Ukraine geben. "Wie soll Deutschland dann noch erklären, dass nicht alles getan wird, um das zu beenden?"
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Hofreiter, hatte zuvor ebenfalls ein sofortiges Energie-Embargo gegen Russland befürwortet. Man überweise Tag für Tag hunderte Millionen Euro nach Moskau, mit denen der russische Staat und dessen Militärapparat am Laufen gehalten würden, sagte der Grünen-Politiker dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Technisch sei ein Embargo möglich und wirtschaftlich verkraftbar. Es würde lediglich zu einer mittleren Rezession führen. Zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde man verlieren, ähnlich wie zu Beginn der Corona-Pandemie, meinte Hofreiter.
Auch EU-Länder wie Finnland, Polen und Lettland fordern einen Importstopp. Der polnische Vizeaußenminister Szynkowski vel Sek erklärte im ARD-Fernsehen, man könne den Unmenschlichkeiten, die in der Ukraine geschehen würden, nicht mit Passivität zuschauen. Analysen zeigten, dass ein Öl- und Gasembargo die deutsche Wirtschaft nicht zerstören würde. Eine Studie renommierter Forscher unter anderem von der Universität Bonn und der London School of Economics hatten die Effekte eines deutschen Embargos russischer Energie zuletzt als "einschneidend, aber beherrschbar" beschrieben. Bundesregierung will schrittweisen AusstiegDie Bundesregierung begründet ihre bisherige Haltung mit wirtschaftlichen Problemen, die aus einem raschen Komplettverzicht auf russische Energielieferungen erwachsen würden. Der SPD-Vorsitzende Klingbeil sagte der "Passauer Neuen Presse", auf diese Lieferungen könne nicht von heute auf morgen verzichtet werden. "Denn das hieße in der Konsequenz, dass bei uns die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießt, unsere Wirtschaft den Bach runtergeht und der soziale Zusammenhalt in Gefahr geraten würde." Dennoch wäge die Bundesregierung jeden Tag neu ab, was sie tun könne.
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Kruse, sagte Kruse im Deutschlandfunk, man könne derzeit anderweitig nicht genügend Gas einführen, um die heimische Nachfrage zu decken. Stattdessen plädierte der FDP-Politiker für eine schrittweise Reduzierung der Energieimporte aus Russland. Kruse geht davon aus, das Deutschland bis Ende des Jahres auf russisches Öl und auf russische Kohle verzichten kann. Die Ankündigung von Präsident Putin, Energielieferungen nur noch gegen Zahlung von Rubel zu akzeptieren, nannte Kruse einen großen Bluff. Man könne einseitig Verträge nicht ändern, betonte der FDP-Politiker. Er rate den deutschen Unternehmen, dem russischen Vorschlag nicht zu folgen.Bundeswirtschaftsminister Habeck warnte vor Hamsterkäufen im Fall eines abrupten Lieferstopps für russisches Erdöl und Erdgas. Die Menschen würden dann wahrscheinlich nicht einfach nur weniger Auto fahren, sondern es gäbe einen Ansturm auf die Tankstellen ähnlich wie zu Beginn der Corona-Pandemie auf Klopapier, sagte der Grünen-Politiker im ARD-Fernsehen.
Habeck: "Reduzieren Abhängigkeit mit hohem Tempo"Deutschland macht nach Angaben von Wirtschaftsminister Habeck deutliche Fortschritte bei der Reduzierung der Abhängigkeit von russischer Energie. Bis Mitte des Jahres könnten die russischen Ölimporte nach Deutschland halbiert werden, hatte der Grünen-Politiker gestern in Berlin erklärt. Beim Erdgas sei es möglich, bis Mitte 2024 weitgehend unabhängig von Russland zu werden. Nach einem Bericht des Wirtschaftsministeriums beträgt der Anteil russischen Erdgases am gesamten deutschen Verbrauch momentan nur noch rund 40 statt bislang 55 Prozent. Ein großer Teil sei durch Flüssiggas-Lieferungen ersetzt worden.
Die Energiekonzerne RWE und Uniper sind laut Bericht derzeit in Vertragsverhandlungen für drei Spezialschiffe, mit denen Flüssiggas von Tankern aufgenommen werden kann. Auf diese Weise könnten schon im nächsten Winter 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas aus anderen Regionen der Welt kommen.
Weiterführende Informationen In unserem Newsblog finden Sie einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen, den wir laufend aktualisieren.Diese Nachricht wurde am 26.03.2022 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
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