Kreml verkündet neue Strategie - Moskaus neue Ziele in Ukraine: Nur ein Bluff?


Hat Russland tatsächlich seine Pläne für den Krieg in der Ukraine geändert? Das erscheint unwahrscheinlich. Was die Ankündigung stattdessen bedeuten könnte.

Russland scheint seine Ziele im Ukraine-Krieg zu ändern, nämlich nur noch die Bezirke Luhansk und Donezk einnehmen zu wollen. Das zumindest könnte man aus Äußerungen des russischen Oberkommandos herauslesen. Eine solche Aussicht schürt die Friedenshoffnungen, vor allem in Deutschland.

Ukraine-Krieg wird nur geografisch verschoben

Doch es gibt viele Gründe, die gegen diese Interpretation sprechen, und dafür, dass diese Option gar nicht besteht. Selbst wenn sie bestehen sollte: Der Krieg ist damit nicht beendet, sondern nur geografisch verschoben.

Putin hatte in seiner Rede am 22. Februar, in der er den russischen Angriffskrieg aufwendig begründete, nicht nur die Einnahme von Luhansk und Donezk als Ziele verkündet, sondern die Einnahme der gesamten Ukraine, die Festnahme der politischen Führung, die Zerschlagung der ukrainischen Armee und Säuberungen in der Bevölkerung - das steht hinter den Begriffen Demilitarisierung und Entnazifizierung in der Rede.

Interview im ZDF heute journal update

Putins Vorstellung von der Großmacht

Und hier ist Putin kohärent: Er trägt seit Jahren immer wieder die gleichen Vorstellungen von der Rückkehr Russlands zu alter Stärke vor. Dabei stellt die geografische Größe ein wesentliches Element dar.

Dass diese für Putin so wichtigen Insignien der Großmacht nun einfach unter den Tisch fallen, ist nicht glaubwürdig. Das russische Militär spricht zudem nur von dem Hauptziel der ersten Phase der Operation. Damit steht die Frage im Raum, welche Ziele die anderen Phasen haben.

  • Christian Mölling ... Dr. Christian Mölling, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.

    ... ist seit Februar 2017 stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er beschäftigt sich unter anderem mit der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik von EU und NATO.

  • Will Russland Zeit gewinnen?

    Doch genau jetzt würde es Russland helfen, sich durch eine Täuschung Zeit zu erkaufen, indem es einen Rückzug vorgibt: um die ausgelaugten Kräfte auszutauschen, für mehr Nachschub zu sorgen und um dann den Angriff umso intensiver fortzusetzen, auch mit besser ausgestatteten Verbänden.

  • Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt
  • Vermutungen, diese Ankündigung und ein möglicher Rückzug seien die Vorbereitungen für einen Chemiewaffeneinsatz, können nicht ausgeschlossen werden, sind aber unwahrscheinlicher, weil dies ein stärkeres Engagement der Nato nach sich ziehen könnte.

    Wie weit wird Putin gehen? Nicht nur die USA warnen vor einem möglichen Einsatz von Chemiewaffen.

    Plausibel ist auch, dass Putin diese Ankündigung nur macht, um in Russland schon bald einen spektakulären Sieg zu verkünden und damit die Stimmung im Land zu verbessern.

    Donezk und Luhansk fast in russischer Hand

    Dieser Erfolg ist ohnehin in greifbarer Nähe, weil die beiden Provinzen schon weitgehend in der Hand Russlands sind. Damit stünde der Fortsetzung des Angriffs auf den Rest der Ukraine zu einem Zeitpunkt, der Putin passt, nichts im Wege.

    Russlands Ukraine-Invasion - Vormarsch stagniert, Kämpfe dauern an 

    Die russische Offensive ist weitgehend gestoppt und zieht sich in die Länge, mit lokalen Erfolgen der Ukrainer. Das Leid der Zivilbevölkerung nimmt zu, Mariupol könnte fallen.

    von Christian Mölling und Andras Racz

    Doch selbst wenn Moskau seine Ziele endgültig reduziert hätte, dann bedeutete das nicht das Ende von Leid und Krieg: Damit würden im Umkehrschluss die Kämpfe um die beiden Provinzen im Osten, Luhansk und Donezk, zunehmen - auch dies findet sich bereits in den Worten des Oberkommandos, die Armee könne "den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten".

    Kreml lügt möglicherweise

    Es kann also einfach sein, dass die russische Führung lügt. Das wäre keine Überraschung. Auch hier gibt es eine große Kontinuität: So werden Angriffe auf Zivilisten geleugnet und die Okkupationstruppen als Friedenstruppen tituliert.

    Vom Gegenteil kann man nur überzeugt sein, wenn den Worten der russischen Führung auch entsprechende Taten folgen. Dies wäre die Chance, Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen.

    Enttäuschte Erwartungen, geplatzte Träume, das Ende der Illusionen: Seit der Invasion der Ukraine hat sich das Bild von Präsident Putin und seiner Politik grundlegend verändert.

    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Liveblog

    Russland greift die Ukraine an - Aktuelles zum Krieg in der Ukraine 

    Die Ukraine kann wohl bei Kiew wieder Boden gewinnen. In Brüssel tagt die Nato und die Ampel schnürt ein Energie-Entlastungspaket - mehr im Blog.

    Post a Comment

    0 Comments

    Abkehr von Putins Blockade-Taktik? : Ukraine meldet russische Angriffe auf Asow-Stahlwerk in Mariupol