Weltbank und ADB streichen Wachstumserwartungen wegen Ukraine-Krieg


Container in einem Hafen in Malaysia: Das Land hat eine hohe Exportabhängigkeit. Bild: REUTERS

Asiatische Länder leiden unter dem Ukraine-Krieg. Weltbank und ADB streichen ihre Wachstumserwartungen zusammen.

Die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine ziehen weite Kreise. Vom Zusammenschmelzen der russischen Wirtschaft sind auch die Länder Zentralasiens stark betroffen, sagte die Asiatische Entwicklungsbank (ADB). Deren Abhängigkeit von Russland sei enorm. Mehr als ein Fünftel des Exports Armeniens geht über die Grenze, 35 Prozent des Imports von Kasachstan stammen vom großen Nachbarn. „Der Abschwung in Russland wird auch die Einkommen der Arbeitsmigranten drücken, die Abwertung des Rubels wird den Wert ihrer Überweisungen noch weiter verringern: In Kirgisien machen die Überweisungen aus Russland 26 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, in Tadschikistan 16 Prozent", sagte Albert Park, der Chefvolkswirt der ADB. Er warnte vor „unglaublichen Unsicherheiten in der Weltwirtschaft".

Christoph Hein Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

Die indo-pazifische Region gilt als Wachstumsmotor der Welt, aber steht vor Schwierigkeiten durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. „Die Folgen des Krieges sind eine zusätzliche Hürde für die sich entwickelnden Volkswirtschaften in Asien, die noch mit der Pandemie ringen", sagte Park. Er warnte auch vor einer Rückkehr zur Kohle angesichts rekordnaher Ölpreise und noch mehr Druck im Halbleitermarkt: „Schlüsselmaterialien stammen vor allem aus der Ukraine und Russland, gefertigt werden sie vor allem in Asien." Das könnte die Herstellung einschränken.

Für die Weltbank sagte deren Chefökonom Ostasien und Pazifik, Aaditya Matoo: „Dies wird ein hartes Jahr für die Region, niemand wird immun gegen die Schocks sein." In der Region seien die Mongolei und Thailand große Importeure von Brennstoffen und Malaysia und Vietnam haben eine hohe Exportabhängigkeit. Die Weltbank beobachtet die Länder im Osten und Südosten Asiens, die ADB blickt auf 45 Schwellen- und Entwicklungsländer auch in Zentral- und Südasien einschließlich Indien.

Die Weltbank verringert ihre bisherige Vorhersage für das Wachstum der Region auf nun nur noch 5 Prozent; im vergangenen Oktober war sie noch von 5,4 Prozent ausgegangen. Selbst eine Rate von nur noch 4 Prozent sei nicht mehr auszuschließen, wenn sich die Bedingungen weiter verschlechterten, erklären die Weltbanker.

Wachstumsrate lag bei fast 7 Prozent

Die ADB nimmt ihre Wachstumserwartungen auf nun 5,2 Prozent für die Schwellen- und Entwicklungsländer im Indo-Pazifik zurück. Der Wert fällt höher aus, weil die „Bank der Asiaten" Südasien mit voraussichtlich starken Wachstumsraten berücksichtigt. Im vergangenen Jahr der zwischenzeitlichen Erholung hatte die Wachstumsrate noch bei 6,9 Prozent gelegen. Im nächsten Jahr sollte sie 5,3 Prozent erreichen. Diese Vorhersagen blieben weiterhin hinter dem langjährigen Trend zurück, sagte Park.

Matoo fasste das Gesamtbild ins Auge: „Die Region ist mit einer Reihe von Schocks konfrontiert, die ihre Wachstumsdynamik zu untergraben drohen." Neben den politischen Krisen in Sri Lanka, Pakistan, Myanmar und Afghanistan umfassen die Herausforderungen die großen Unbekannten wie den Verlauf der Pandemie und das Abschwächen der Konjunktur in China.

Die Folgen der hohen Inflation in Amerika

Gefährlich aber werden auch die steigenden Preise für Bodenschätze, unter ihnen Öl, Kohle und Weizen. Sie führen zu steigender Inflation in Zeiten, wo Niedrigzinsen eigentlich willkommen wären, um die Konjunktur anzuheizen und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Einkommen der Haushalte werden sinken und damit die Kaufkraft. Die Ökonomen der ADB hoben ihre bisherige Vorhersage für die Inflationsrate in der Region von bislang 2,5 auf nun 3,7 Prozent sprunghaft an. Im nächsten Jahr könne die Preissteigerung dann auf 3,1 Prozent zurückgehen. „Die anhaltend hohe Inflation in Amerika könnte zu stärker als erwarteten Zinserhöhungen führen, die finanzielle Volatilität, Kapitalabflüsse und Aufwertungen in der Region auslösen könnten", sagte Park.

Beide Analystenteams rechnen mit einer Wachstumsrate von 5 Prozent in diesem Jahr für das Zugpferd der Region, China. Im nächsten Jahr werde sie dann auf nur noch 4,8 Prozent sinken. Noch im Dezember hatte die Weltbank auf 5,4 Prozent gehofft, und im vergangenen Jahr der Erholung hatte sie noch bei 8,1 Prozent gelegen. Die ADB-Analysten haben ihre Vorhersage für Ostasiens Wachstum von 5 auf 4,7 Prozent zusammengestrichen, und für die zehn Länder Südostasiens von 5,1 auf nun 4,9 Prozent. Indien sollte in diesem Haushaltsjahr (31. März) um 7,5 Prozent zulegen, weitere 8 Prozent im nächsten.

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Die Entwicklungsbanker empfehlen gezielte Hilfen für besonders hart getroffene Haushalte und Unternehmen, um ihnen Luft für Investitionen zu schaffen. Banken und Versicherungen sollten sich einem Belastungstest unterziehen. Schließlich sollte der grenzüberschreitende Handel von Barrieren befreit werden, um sich neue Wege suchen zu können.

Die ADB weist daraufhin, dass die Steuereinnahmen in Asien mit 16 Prozent seiner Wirtschaftsleistung schon vor Corona sogar noch hinter dem Wert in Lateinamerika zurückgeblieben waren. „Weil die Einnahmen während der Pandemie sprunghaft gesunken sind und hohe Ausgaben erforderlich waren, gibt es nun einen überaus dringenden Bedarf höherer Steuereinnahmen", sagte Park.

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