Luftfahrt in der Ukraine: „Machen wir uns nichts vor: Wir kämpfen ums Überleben“


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Wie hat die Covidpandemie Ihr Unternehmen beeinflusst?So merkwürdig es klingt, aus heutiger Sicht war die Coronakrise für uns eine große, vielleicht sogar eine entscheidende Hilfe. Denn in den Lockdowns haben wir gelernt, aus der Distanz zu arbeiten. Damals taten wir das von zuhause, jetzt arbeiten wir eben auch aus Kellern und Bunkern oder aus dem Ausland. So können wir trotz allem alle wichtigen Funktionen sicherstellen.

Wie halten Sie Ihre Mitarbeiter?Das ist nicht leicht ohne Einnahmen. Das Märzgehalt konnten wir noch allen überweisen. Doch im April können wir leider diejenigen bezahlen, die wir einsetzen. Dazu zählen vor allem Mitarbeiter im Flugbetrieb oder der Verwaltung wie die Abteilung für die Vermietung der Flugzeuge an andere Airlines, Verträge zum Betanken der Flugzeuge oder das Betriebszentrum, das die Flüge überwacht.

Sie haben angekündigt, dass ihre Flugzeuge bald für andere Gesellschaften unterwegs sein sollen. Wie ist da der Stand?Wir haben das Glück, das gerade weltweit das Fluggeschäft wieder anzieht, und zwar trotz der Kriegs schneller als erwartet. Darum sind die Chancen gut, unsere Flugzeuge mit Personal im Rahmen sogenannter Wetleaseverträge zu vermieten. Das haben wir schon vor dem Krieg gemacht und beherrschen das. Da werden da bald einen Abschluss haben. Dazu versuchen wir auch Beschäftigte und vor allem unsere Flugbegleiter bei anderen Airlines unterzubringen. Denn anders als Männer können Frauen ja frei ausreisen. Auch bei Flugzeugtechnikern gibt es Bedarf. Doch alle Beschäftigten haben geschworen, dass sie wieder an Bord sind, wenn es nach dem Krieg wieder losgeht.

von Rüdiger Kiani-Kreß

Das kann dauern. Wie lange können Sie durchhalten?Darüber will ich nicht spekulieren. Denn machen wir uns nichts vor: Wir kämpfen vor allem ums Überleben. Doch wir fahren den Betrieb und damit die Ausgaben soweit runter wie möglich. Dazu erfahren auch wir wie die Ukraine weltweit eine Welle der Unterstützung durch unsere Partner wie Airports, Lieferanten und Flugzeughersteller. Dabei haben unsere Gläubiger zugestimmt, unsere finanziellen Verpflichtungen erstmal ruhen zu lassen und wir können etwa unsere Flugzeuge kostenlos im Ausland abstellen. Das hält uns am Leben. Dafür kann ich mich nur bedanken. Wenn sich die Krise nicht verschärft, kann so wie es jetzt läuft noch eine Weile weiter gehen.

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Bereiten Sie sich vor auf einen Neustart der ukrainischen Luftfahrt nach einem Ende des Kriegs?Natürlich. Das ist eine wichtige Frage, auch wenn es angesichts der Zerstörung und der immer neuen Grausamkeiten derzeit etwas weit hergeholt erscheint. Aber machen wir uns nichts vor: Es wird ein langer, schmerzhafter und teurer Prozess. Und wie die Luftfahrt der Ukraine danach aussieht, ist völlig offen. Doch die Ukraine wird wiederkommen.

Sind dafür die Zerstörungen nicht etwas groß?Das sehe ich nicht. Ich mache wenig Sorgen beim Personal und bei den Sicherheitsstandards. Die Ukraine hat auch in der Luftfahrt viele gut ausgebildete Fachkräfte. Natürlich wird es nach dem Krieg Spezialisten fehlen, weil sie tot, nicht mehr arbeitsfähig oder ausgewandert sind. Doch die Lücken lassen sich schließen.

Und bei der Infrastruktur?Da wird es schwieriger. Hier ist bis zum Ende des Kriegs nicht nur offen, wie groß die Schäden sind. Es muss ein sehr großer Teil des Landes wieder aufgebaut werden. Und die Luftfahrt ist nur ein kleiner Teil davon, neben Wohnungen, Straßen oder Industrieanlagen. Das kostet nicht nur immens viel Geld. Auch die physischen Kapazitäten der Bauindustrie sind begrenzt.

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Wie wird sich der Markt verändern?Das Fluggeschäft wird sich grundlegend wandeln. Zuerst ist für uns die Frage, wie groß die Nachfrage künftig sein wird. Bis zu einem gewissen Punkt wird sie sich relativ schnell erholen. Die Ukraine ist ein großes Land mit Entfernungen von mehr als 1300 Kilometern. Die nötigen Verbindungen lassen sich mit Flügen schneller wieder herstellen als zerstörte Straßen oder mit Bahnlinien. Doch dann kommen eine Reihe grundlegender Fragen. Wieviel können und wollen die Menschen für Flugreisen ausgeben? Wie viele Kunden verbringen ihren Urlaub im Ausland? Werden mehr Bürger der Ukraine weiter im großen Umfang im Ausland arbeiten? Welche Nachfrage verschwindet durch die Zerstörung der Industrie, wieviel neue entsteht durch die angekündigten umfangreichen Hilfsprogramme? Das alles wird für dramatische Veränderungen sorgen vom Betrieb der Airlines über die Finanzierung und die Frage wie sich die Leasingb ranche oder die internationale Regulierung neu aufstellt. Immerhin hat Russland mehr als 300 von seinen Airlines betriebene Maschinen quasi enteignet und lässt sie ohne Betriebserlaubnis oder geprüfte Ersatzteile weiterfliegen. Darauf werden die Unternehmen und internationale Verbände wie die UNO-Luftfahrtorganisation ICAO reagieren müssen.

Rüdiger Kiani-Kreß

Redakteur Unternehmen & Märkte

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