Fünf russische Raketenangriffe haben nach ukrainischen Angaben am Montagmorgen die Stadt Lwiw im Westen des Landes getroffen. Es habe „fünf heftige Raketenangriffe auf einmal auf die zivile Infrastruktur der alten europäischen Stadt Lwiw" gegeben, schrieb Mychailo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, auf Twitter. Ein Anwohner im Südwesten von Lwiw berichtete der Nachrichtenagentur AFP, er habe dicke graue Rauchwolken gesehen, die hinter Wohnhäusern in den Himmel gestiegen seien.
[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen]
„Die Russen greifen weiterhin barbarisch ukrainische Städte aus der Luft an", schrieb Podoljak weiter. Rettungskräfte seien unterwegs zum Einsatzort, erklärte der Bürgermeister der Stadt, Andrij Sadowy, im Messengerdienst Telegram. Bei dem Angriff sollen mindestens sechs Menschen getötet worden sein, meldet AFP unter Berufung auf den Gouverneur von Lwiw.
Ukrainische Soldaten der 103. Separatbrigade der Territorialen Verteidigung der Streitkräfte in der Nähe von Lwiw.Foto: Nariman El-Mofty/AP/dpaLwiw liegt weit von der Front entfernt in der Westukraine und wurde seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar nur selten bombardiert. Am 26. März wurde die Stadt von einer Reihe russischer Luftangriffe getroffen. Unter anderem wurde ein Treibstofflager angegriffen, fünf Menschen wurden nach Behördenangaben dabei verletzt.
Zufluchtsort für GefloheneBei einem weiteren Angriff wenige Tage zuvor wurde die Stadt Ziel eines Luftangriffs, bei dem eine Flugzeugreparaturfabrik in der Nähe des Flughafens getroffen wurde. Am 13. März hatten russische Marschflugkörper einen wichtigen Militärstützpunkt etwa 40 Kilometer nordwestlich von Lwiw ins Visier genommen, wobei mindestens 35 Menschen getötet und 134 verletzt wurden.Lwiw, das nahe der polnischen Grenze liegt, hat sich zu einem Zufluchtsort für Geflohene entwickelt. Auch westliche Botschaften wurden zu Beginn des Krieges aus Kiew nach Lwiw verlegt.
Selenskyj: Schicksal der Menschen hängt von Waffenlieferungen abDer ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnt indessen ein Ende des Zögerns bei Waffenlieferungen für sein Land an. Angesichts einer erwarteten neuen Offensive russischer Truppen seien Verzögerungen „eine Erlaubnis für Russland, das Leben von Ukrainern zu nehmen", sagte Selenskyj in der Nacht zum Montag in seiner täglichen Videoansprache. Aus der seit Wochen heftig umkämpften Hafenstadt Mariupol wurden neue russische Angriffe mit Raketen und Bomben gemeldet.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, während einer Videobotschaft.Foto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpaSelenskyj warnte, dass das russische Militär für die nächste Zeit eine Offensive in der Industrieregion Donbass im Osten der Ukraine vorbereite: „So wie die russischen Truppen Mariupol zerstören, wollen sie auch andere Städte und Gemeinden in den Gebieten Donezk und Luhansk dem Erdboden gleichmachen." Man sei den Partnern dankbar, die helfen. „Aber diejenigen, die von uns benötigte Waffen und Munition haben und ihre Hilfe zurückhalten, müssen wissen, dass das Schicksal dieser Schlacht auch von ihnen abhängt. Das Schicksal von Menschen, die gerettet werden können", sagte Selenskyj.
[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen]
Er nannte keine Länder beim Namen. Jedoch hatte es zuletzt in Deutschland Streit in der Ampel-Koalition über die Lieferung schwerer Waffen gegeben. Politiker von Grünen und FDP hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Zaudern vorgeworfen. Militärexperten gehen davon aus, dass die Ukraine im Osten des Landes deutlich mehr schwere Waffen brauchen wird, um gegen Angriffe zu bestehen. Das liegt unter anderem an dem offenen Terrain ohne große Wälder.
Ukraine meldet weitere Angriffe auf MariupolDer ukrainische Generalstab berichtete am Sonntagabend von russischen Raketen- und Bombenangriffen auf das belagerte Mariupol. Dabei kämen auch Überschallbomber vom Typ Tu-22M3 zum Einsatz. Regierungschef Denys Schmyhal sagte dem US-Sender ABC, die Stadt sei nicht gefallen. Die ukrainischen Soldaten würden in Mariupol „bis zum Ende kämpfen".
Außenminister Dmytro Kuleba berichtete im US-Sender CBS, die eigenen Truppen seien „im Grunde eingekreist" von russischen Truppen, die Mariupol dem Erdboden gleichmachen wollten. Wörtlich sagte Kuleba: „Die Stadt existiert nicht mehr."
Russland hatte den verbliebenen ukrainischen Truppen in Mariupol zuvor mit Vernichtung gedroht. Ein Ultimatum, die Waffen bis zum Sonntagmittag niederzulegen und sich zu ergeben, ließen die Ukrainer verstreichen.
Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:
Auch viele Zivilisten in Stahlwerk AsowstalMehrere Tausend ukrainische Verteidiger Mariupols sollen sich in dem riesigen Stahlwerk Asowstal verschanzt haben. Auch zahlreiche Zivilisten befinden sich nach Angaben örtlicher Behörden auf dem umkämpften Gelände des Werks, zu dem auch unterirdische Anlagen gehören. Die Menschen hätten sich dort vor Beschuss während der wochenlangem Belagerung der Stadt durch das russische Militär versteckt, sagte der Chef der Streifenpolizei von Mariupol, Michajlo Werschinin, dem Lokalfernsehen. „Sie trauen den Russen nicht. Sie sehen, was in der Stadt vor sich geht, und bleiben deswegen auf dem Werksgelände." Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Große Teile von Mariupol befinden sich inzwischen unter Kontrolle des russischen Militärs. In Mariupol hielten sich noch rund 100.000 Einwohner auf, sagte Werschinin. Die russischen Truppen ließen sie für Essen Trümmer räumen sowie Leichen bergen und in Massengräbern beerdigen, behauptete er. Mariupol hatte vor dem Krieg rund 400.000 Einwohner. Nach der langen Belagerung und dem Dauerbeschuss werden Tausende Tote unter den Zivilisten befürchtet.
Selenskyj kündigte angesichts des befürchteten Großangriffs im Osten des Landes harte Gegenwehr an. „Wir werden unser Territorium nicht aufgeben", sagte er dem Nachrichtensender CNN. Die Schlacht in der Region Donbass könne den Verlauf des gesamten Krieges beeinflussen.
Ukrainische Truppen erobern Orte bei Charkiw zurückDie ukrainischen Truppen konnten nach Behördenangaben bei einer Gegenoffensive mehrere Ortschaften in der Nähe der Großstadt Charkiw im Nordosten zurückerobern. Damit seien die russischen Truppen weiter von der zweitgrößten Stadt der Ukraine zurückgedrängt wurden, teilte der Gouverneur des Gebiets, Oleh Synjehubow, in seinem Kanal beim Messaging-Dienst Telegram mit. Zuvor hatten die Behörden gemeldet, dass beim Beschuss des Stadtzentrums am Sonntag mindestens 5 Menschen getötet und 13 verletzt worden seien. (dpa, AFP)
0 Comments