Im Zeichen des Z: Russische Militärfahrzeuge in der Donezker „Volksrepublik" am Dienstag Bild: Imago
Immer mehr Menschen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine verschwinden. Einige kehren zurück und berichten von psychischer und physischer Folter. Vorbild für Moskaus Vorgehen sind Donbass und Krim.
Das erste öffentliche Lebenszeichen Oleg Baturins nach seiner Entführung durch russische Besatzer war eine blutende Ukraineflagge, die er am Sonntag auf Facebook postete. „Willkommen zurück", schrieb eine Frau darunter. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht." Vorher hatte auf seinem Profil acht Tage lang Stille geherrscht. Seither veröffentlicht der Journalist, der seit Beginn über den Krieg berichtet, Beiträge über andere Ukrainer, die verschwunden sind: einen Schuldirektor, der aus dem eigenen Haus geholt, einen Zwanzigjährigen aus Kachowka, der im Beisein seiner Mutter auf der Straße mitgenommen worden sei.
„Die Mutter fiel auf die Knie, weinte laut, bat darum, ihren Sohn freizulassen", schreibt er. Bei den meisten Fällen steht der Verweis, der aktuelle Aufenthaltsort sei unbekannt. Ob sie jemals zurückkehren, lässt sich nie mit Sicherheit sagen. Baturin gehörte zu den Glücklichen, denen das vergönnt war. Er wurde am 12. März am Busbahnhof Kachowka festgenommen. In einem von einem Freund verbreiteten Brief erzählt er, was ihm in dieser Zeit widerfahren ist. „Sie sagten, sie würden mich töten." Er sei geschlagen, gedemütigt, bedroht worden. Es habe kaum zu essen und tagelang kaum zu trinken gegeben, er habe nicht gewusst, wo er war. „Sie wollten mich brechen [...], um zu zeigen, was jedem Journalisten passieren wird."
Erst am Dienstag war ein weiterer von vielen Fällen aus dem ersten Monat des russischen Krieges in der Ukraine bekannt geworden. Seit dem 13. März ist laut einem Kollegen der Kontakt zu dem ukrainischen Fotojournalisten Maks Levin abgebrochen, nachdem er aus dem Kampfgebiet bei Kiew berichtet hatte. Er könne getötet oder von russischen Truppen verschleppt worden sein. Levin dokumentierte schon den Krieg in der Ostukraine. Er konnte im August 2014 entkommen, als ukrainische Soldaten zu Hunderten getötet wurden, die versuchten, den Kessel um die Stadt Ilowajsk im Donezker Gebiet durch einen von Russland zugesagten „humanitären Korridor" zu verlassen.
„Verbrechen gegen die Demokratie"Doch die Fälle verschwundener oder entführter Ukrainer betreffen bei Weitem nicht nur Journalisten, sondern auch Aktivisten, Zivilisten und Politiker – einer der ersten prominenten war der inzwischen wieder freigelassene Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fedorow. Gerade in Orten, in denen die Bewohner gegen die russischen Besatzer auf die Straße gehen, ist das ein probates Mittel, Angst und Unsicherheit zu schüren.
Bürgermeister Fedorow wurde laut eigener Aussage während seiner sechstägigen Verschleppung dazu aufgefordert, die Proteste zu unterbinden und mit den russischen Besatzern zusammenzuarbeiten. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte seinen Fall als „Verbrechen gegen die Demokratie" bezeichnet. Zwei Journalisten der Nachrichtenagentur AP wurden von ukrainischen Soldaten aus dem besetzten Mariupol gebracht, um zu vermeiden, dass sie von Russen festgenommen und zu öffentlichen Falschaussagen gezwungen würden – wie es in anderen Fällen schon vorgekommen ist.
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