15. April 2022, aktualisiert 15. April 2022, 11:02 Uhr
Das russische Verteidigungsministerium hat eine Ausweitung der Raketenangriffe auf Kiew angekündigt. Die Forderungen an Kanzler Scholz nehmen zu, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern. Die Lage im Ãberblick.
Das russische Verteidigungsministerium hat am Freitag als Reaktion auf ukrainische âAbweichungen auf russisches Gebietâ eine Ausweitung der Raketenangriffe auf Kiew angekündigt. Die russischen Behörden hatten ukrainische Truppen am Donnerstag Luftangriffe auf Wohngebäude in einer russischen Grenzregion zur Ukraine vorgeworfen. Dabei seien sieben Menschen verletzt worden. Etwa 100 Wohngebäude im Dorf Klimowo in der Region Bryansk seien beschädigt worden.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau schossen russische Truppen in der ukrainischen Region Tschernihiw einen Helikopter der Ukraine vom Typ Mi-8 ab, der an dem Angriff in der Region Bryansk beteiligt gewesen sein soll. Die Behörden in der Grenzregion Belgorod meldeten am Donnerstag ebenfalls Beschuss aus der Ukraine.
Kiew kündigt neun Fluchtkorridore an
Die Ukraine hat neun Fluchtkorridore im Osten des Landes angekündigt. In den Gebieten Donezk und Saporischschja seien mit den russischen Truppen Routen von Mariupol, Berdjansk, Tokmak und Enerhodar nach Saporischschja vereinbart worden, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Freitag bei Telegram mit. Dazu gebe es Absprachen für Fluchtrouten im Luhansker Gebiet. Zivilisten aus Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, Popasna, Hirske und Rubischne können bei eingehaltener Waffenruhe nach Bachmut im benachbarten Donezker Gebiet gelangen.
Zu den Transportmitteln machte Wereschtschuk keine Angaben. Die ukrainische Eisenbahn hat einen Evakuierungszug aus Pokrowsk im Donezker Gebiet nach Tschop an der ungarischen Grenze angekündigt.
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Ukraine drängt Scholz zu Entscheidung für Waffen â" Zoff in Koalition
Der ukrainische AuÃenminister Dmytro Kuleba fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz eine schnelle Zusage für weitere deutsche Waffenlieferungen. âIch hoffe, dass Scholz eine positive Entscheidung fälltâ, sagte Kuleba am Donnerstagabend in den ARD-âTagesthemenâ. Argumente gegen eine Lieferung der geforderten Waffen seien nicht stichhaltig. Aus Sicht Kulebas hätte der Krieg vermieden werden können, âwenn Deutschland früher Waffenlieferungen zugelassen hätteâ.
Deutschland hat bisher - soweit es bekannt ist - vor allem Panzerfäuste, Maschinengewehre und Luftabwehrraketen sowie Stahlhelme in die Ukraine geschickt. Bei der Frage nach schweren Waffen â" dazu gehören etwa Panzer â" reagierte Scholz bisher ausweichend.
Weitere Waffenlieferungen hält auch Vizekanzler Robert Habeck für notwendig. âEs müssen mehr Waffen kommenâ, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). âWir können die Ukraine in dem Krieg nicht alleine lassen. Sie kämpft auch für uns. Die Ukraine darf nicht verlieren, Putin darf nicht gewinnen.â Auf die Frage nach Lieferung schwerer Waffen verwies Habeck aber auch auf âeine Verantwortung dafür, nicht selbst zum Angriffsziel zu werden. Das ist der Rahmen, innerhalb dessen wir alles liefern, was möglich ist.â Dieser Rahmen âschlieÃt groÃe Panzer oder Kampfflugzeuge bisher nicht einâ, fügte Habeck hinzu.
von Max Biederbeck-Ketterer
âNatürlich bedeutet eine Brutalisierung des Krieges auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen muss. Aber das besprechen wir mit unseren europäischen Partnern und den Nato-Partnernâ, sagte der Wirtschaftsminister weiter.
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Zügige Entscheidungen über die Lieferung auch schwerer Waffen für die Ukraine forderte die CSU im Bundestag. âDie Zeit für langwierige Ampeleien ist vorbeiâ, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur. âDeutschland kann und muss deutlich mehr militärische Unterstützung leisten.â Dobrindt sagte: âEs braucht eine weitere Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine auch mit schweren Waffen, geschützten Fahrzeugen und Aufklärungstechnik mit Drohnen.â Diese müssten nicht nur von der Bundeswehr, sondern vor al lem auch aus der Industrie heraus geliefert werden.
Vor allem Politiker von FDP und Grünen hatten Druck auf Scholz gemacht. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) war am Dienstag zusammen mit den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses und des Europaausschusses, Michael Roth (SPD) und Anton Hofreiter (Grüne), in die Ukraine gereist. Alle drei sprachen sich im Anschluss für weitere Waffenlieferungen aus. Hofreiter kritisierte zudem bei RTL: âDas Problem ist im Kanzleramt.â Habeck und die Grünen-Spitze distanzierten sich von der Kritik.
Zu einer heftigen Kontroverse kam es unterdessen zwischen SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Strack-Zimmermann. Mützenich hatte sich auch mit Hinweis auf die Reise der drei Ausschussvorsitzenden kritisch zu Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen geäuÃert: âEinfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht. Wer das behauptet, handelt verantwortungslos.â Die Bilder und Berichte über den Krieg in der Ukraine seien schrecklich und verstörend. Unter dem Eindruck von Besuchen vor Ort âbisher beispiellose Entscheidungen zu fordern, ohne sie selbst verantworten zu müssen, ist falsch â" zumal diese weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato haben könntenâ, erklärte Mützenich.
Strack-Zimmermann entgegnete am Donnerstagabend: âRolf Mützenich gehört leider zu denen, die die Notwendigkeit der Zeitenwende ihres eigenen Kanzlers weder verstanden haben noch verstehen wollen. Er kann nicht akzeptieren, dass sein altes, starres Weltbild zusammengebrochen ist.â Die Reise sei ein notwendiges Signal gewesen. âKanzler Scholz hat für seine Zeitenwende unsere volle Unterstützung. Dafür ist es jetzt Zeit, zu führen und dabei gemeinsam als Ampel voranzugehenâ, betonte die FDP-Politikerin.
Russland bremst bei Gesetz über Insolvenz ausländischer UnternehmenDas russische Parlament wird den Gesetzentwurf zur möglichen Verstaatlichung ausländischer Unternehmen erst im Mai beraten. Es sei nicht geplant, das Gesetz im Eilverfahren durchzupeitschen, berichtete die Tageszeitung âWedomostiâ am Freitag unter Berufung auf Regierungskreise. Die Initiative betrifft Unternehmen, die im Zuge des von Russland begonnenen Kriegs in der Ukraine und den darauf folgenden westlichen Sanktionen ihre Tätigkeit in Russland eingestellt haben.
Aus der russische Führung hatte es daraufhin Drohungen gegeben, westliche Konzerne zu enteignen, die nicht bald wieder ihren Betrieb aufnehmen. Teilweise wurde der 1. Mai als Stichtag für die Wiederaufnahme der Tätigkeit genannt.
Der am Dienstag von der Kremlpartei Geeintes Russland eingebrachte Gesetzentwurf zum Insolvenzverfahren gilt allerdings diesen Drohungen gegenüber als deutlich abgeschwächt. So sollen Insolvenzverwalter nur bei Unternehmen eingesetzt werden, die strategisch wichtig sind â" entweder für die gesamte russische Volkswirtschaft oder für die kritische Infrastruktur. Zudem sollen die westlichen Besitzer auch die Kontrolle über ihr Eigentum zurückbekommen, sobald sie bereit sind, ihre Tätigkeit in Russland wieder aufzunehmen. Eine Enteignung und Verstaatlichung ist nur im Ausnahmefall vorgesehen.
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Flaggschiff der Schwarzmeerflotte gesunken
Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, die âMoskwaâ, ist nach Angaben aus Moskau gesunken. Der angeschlagene russische Raketenkreuzer sei am Donnerstag während eines Sturms untergegangen, als er an sein Ziel geschleppt werden sollte, berichtete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Ein Abschleppen sei notwendig geworden, da das Schiff seine Stabilität aufgrund von Schäden am Rumpf verloren habe, der während eines âBrandes durch die Detonation von Munitionâ beschädigt worden sei. Angaben zur Brandursache gab es nicht.
Von ukrainischer Seite hatte es zuvor geheiÃen, das Schiff sei von einer oder zwei Anti-Schiffs-Raketen getroffen worden. Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte Moskau mitgeteilt, die âMoskwaâ sei vollständig evakuiert worden. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte dem TV-Sender CNN, es sei âwahrscheinlichâ, dass es bei dem Vorfall Tote und Verletzte gegeben habe. An Bord seien bis zu 500 Soldaten gewesen.
âIch weià nicht, wie viele sie runtergebracht haben. Wir haben Hinweise gesehen, dass es Rettungsboote gab und dass einige Matrosen das Schiff verlassen konntenâ, sagte Kirby, ein pensionierter Konteradmiral der US-Marine. âAber falls es von einer Rakete getroffen wurde - selbst falls es nur eine interne Explosion war, die Munition verbrannt hat, so wie es die Russen sagen â" wird man wahrscheinlich an Bord Tote und Verletzte haben.â
Experten zufolge hat der Vorfall mehr als nur symbolische Bedeutung. Der Raketenkreuzer sei Dreh- und Angelpunkt der Luftverteidigung der Schwarzmeerflotte gewesen. Dass das Schiff sank â" sei es nun durch einen Unfall oder eine Rakete â" werde die Moral der ukrainischen Streitkräfte heben und sei zudem ein Propagandasieg für Kiew.
CIA: Russische Atomwaffendrohung nicht auf leichte Schulter nehmen
CIA-Chef Bill Burns warnte davor, eine Bedrohung durch den möglichen Einsatz taktischer Atombomben durch Russland nicht ernst zu nehmen. âAngesichts der möglichen Verzweiflung von Präsident (Wladimir) Putin und der russischen Führung, angesichts der bislang erfahrenen militärischen Rückschläge, kann keiner von uns die Bedrohung durch einen möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen oder Atomwaffen geringer Sprengkraft auf die leichte Schulter nehmen. Wir tun es nichtâ, sagte Burns.
Selenskyj dankt Ukrainern für 50 Tage Widerstand
Der ukrainische Präsident Selenskyj dankte seinen Landsleuten für 50 Tage Widerstand gegen Russland. âGott sei Dank, den Streitkräften der Ukraine und unserem Volk - wir haben den gröÃten Teil unseres Landes verteidigtâ, sagte Selenskyj in einer auf Telegram veröffentlichten Videobotschaft. â50 Tage unserer Verteidigung sind eine Leistung. Eine Leistung von Millionen von Ukrainern.â
Selenskyj sagte weiter, er erinnere sich an den ersten Tag der russischen Invasion in die Ukraine. âUm es milde auszudrücken: Niemand war überzeugt, dass wir bestehen würden.â Viele hätten ihm empfohlen, das Land zu verlassen. âSie haben dazu geraten, dass wir uns de facto der Tyrannei ergeben.â Sie hätten aber die Ukrainer nicht gekannt und nicht gewusst, wie mutig diese seien und wie sehr sie Freiheit schätzten.
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