Die Lage in der Ukraine am Freitag, 22. April


Kremlchef Putin empfängt UN-Generalsekretär in Moskau

Nach rund zwei Monaten Krieg in der Ukraine wird Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag (26. April) nach Kremlangaben UN-Generalsekretär António Guterres in Moskau empfangen. Guterres werde sich auch zu Gesprächen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen, teilte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag mit. Der UN-Chef hatte zuvor um ein Treffen mit Putin gebeten.

Guterres werde im Zuge verstärkter Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg nach Moskau reisen. „Er wird ein Arbeitstreffen und ein Mittagessen mit Außenminister Sergej Lawrow haben. Der Generalsekretär wird von Präsident Wladimir Putin empfangen“, sagte eine Sprecherin.

Zuvor hatte Guterres Briefe an die UN-Vertretungen Russlands und der Ukraine geschickt und darum gebeten, ihn in den Hauptstädten der Länder zu empfangen. Es müssten „dringende Schritte“ zur Herstellung von Frieden in der Ukraine herbeigeführt werden. Der UN-Chef hatte zuletzt mehrfach eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg gefordert.

Die Vereinten Nationen wollten den Vorstoß des Generalsekretärs zunächst nicht als offiziellen Mediationsversuch darstellen. Er folgte jedoch auf immer lauter werdende Rufe aus dem UN-Apparat nach einer aktiveren Rolle von Guterres in dem Konflikt. Zuletzt hatte ein Brief von ehemaligen UN-Mitarbeitern den Druck erhöht. Sie forderten Guterres auf, stärker an einer politischen Lösung zu arbeiten und sehen die Daseinsberechtigung der Vereinten Nationen in Gefahr.

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Niederlande: Ende des Jahres kein Gas aus Russland mehr

Die Niederlande wollen zum Jahresende kein Erdgas und kein Öl aus Russland mehr einführen. Die Energieabhängigkeit solle so schnell wie möglich abgebaut werden, teilte die Regierung am Freitag in Den Haag mit. Noch vor dem Winter sollten alle Gasspeicher soweit wie möglich gefüllt sein. Zur Zeit werden etwa 15 Prozent des Gesamtbedarfs von Gas aus Russland gedeckt.

Die Regierung will nun so schnell wie möglich mit anderen Ländern Liefervereinbarungen treffen. Außerdem soll deutlich mehr Flüssiggas importiert werden. Ein LNG-Terminal in Rotterdam soll erweitert und in Eemshaven im Norden des Landes an der deutschen Grenze ein neues schwimmendes Terminal errichtet werden. Zusätzlich setzt die Regierung auf Energiesparmaßnahmen, um den Bedarf zu senken.

Im vergangenen Jahr hatte das russische Unternehmen Gazprom die Vorräte nur unzureichend angefüllt. „Wir vermuten natürlich alle, dass Russland das nicht tat wegen der europäischen Abhängigkeit vom Gas und des geplanten Kriegs in der Ukraine“, sagte Energieminister Rob Jetten.

Lagarde: Ukraine-Krieg ist auch Zäsur für Globalisierung

Die russische Invasion der Ukraine stellt aus Sicht von EZB-Chefin Christine Lagarde eine Zäsur für die Globalisierung dar. Mit dem russischen Angriffskrieg sei eine Neubewertung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen und Abhängigkeiten in Gang gekommen, betonte die Französin am Freitag in einer Rede am Washingtoner Peterson Institute for International Economics: „In einer Welt nach der Invasion ist es zusehends nicht mehr vertretbar, den Handel von universellen Werten wie Respekt für internationales Recht und Menschenrechte zu trennen“, fügte sie hinzu.

Auch Europa bleibe von den Veränderungen in den internationalen Handelsbeziehungen nicht unberührt. „Wir müssen entsprechend handeln, falls wir in diesem neuen und zunehmend unsicheren globalen Terrain Erfolg haben wollen“, sagte sie. Dies könne aber nicht bedeuten, den freien Handel zu beschränken. Es gelte vielmehr, ihn sicherer zu gestalten und die regionalen Stärken besser zum Tragen zu bringen: „Das wird nicht einfach.“

Der Westen hat umfangreiche Sanktionen gegen Russland verhängt, weitere Maßnahmen wie ein Öl-Boykott werden diskutiert. Russland spielt international vor allem bei Energie und Rohstoffen eine führende Rolle, etwa bei Öl, Gas und Metallen. Wie die Ukraine ist Russland zudem ein wichtiger Exporteur von Weizen und Getreide. Wegen des Kriegs und der Sanktionen steigen die Preise bereits deutlich, was laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vor allem ärmere Staaten treffen wird.

Satellitenaufnahmen weisen auf mögliches Massengrab bei Mariupol hin

In der Nähe der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine deuten Satellitenbilder auf ein mögliches Massengrab hin. Der US-Satellitenfotodienst Maxar verbreitete Aufnahmen, die in dem Vorort Manhusch mehrere ausgehobene Grabstellen zeigen sollen. Örtliche Behörden sprechen davon, dass dort Tausende Zivilisten begraben sein sollen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor von Zehntausenden Toten in der wochenlang umkämpften Hafenstadt gesprochen.

Die ukrainischen Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar. Selenskyj hat sich zu dem mutmaßlichen Massengrab bisher nicht öffentlich geäußert. Die Informationen gehen auf den Stadtrat von Mariupol und von Bürgermeister Wadym Bojtschenko zurück, die in Bezug auf die Satellitenbilder von Gräbern für bis zu 9000 Leichen sprechen. Sie sind selbst aber nicht mehr an Ort und Stelle.

Das mutmaßliche Massengrab befindet sich am nordwestlichen Ortsrand, der knapp 20 Kilometer Luftlinie von Mariupol entfernt liegt. Satellitenfotos vom 3. April zeigen weit über 200 mögliche Grabstellen in mehreren Reihen, ausgehoben auf einer Länge von mehr als 300 Metern neben einer Straße. Die angeblichen Grabstellen sind auf den Aufnahmen als dunkle Flächen neben dem Aushub zu erkennen.

Auf Telegram schrieb der Stadtrat, die Leichen seien seinen Quellen zufolge in mehreren Lagen in das Massengrab geworfen worden. Der Großteil der Grabstellen entstand Satellitenaufnahmen zufolge ab dem 26. März. Die Gegend von Manhusch war schon in der Frühphase des Krieges unter russische Besatzung gefallen.

Scholz beklagt Verleumdung der SPD wegen ihrer Russlandpolitik

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vorwürfe gegen die SPD wegen ihrer Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte als Verleumdungen zurückgewiesen. In einem Interview des „Spiegel“ beklagte der SPD-Politiker, dass ein „Zerrbild von sozialdemokratischer Politik“ gezeichnet werde. „Die Sozialdemokratische Partei ist eine fest in das transatlantische Bündnis und den Westen eingebundene Partei, die die Vorwürfe, die da erhoben werden, nicht akzeptieren muss.“ Der SPD wird vorgeworfen, in den letzten Jahrzehnten zu sehr auf Annäherung zu Russland gesetzt und dabei Risiken außer acht gelassen zu haben.

„Seit Adenauers Zeiten gibt es diese verfälschenden und verleumderischen Darstellungen der Europa- und Russlandpolitik der SPD, das ärgert mich“, sagte Scholz. Er verteidigte vor allem die Politik der SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt in den Jahren 1969 bis 1982. Brandt hatte nach den Jahren der Westbindung der Bundesrepublik Deutschland unter dem CDU-Kanzler Konrad Adenauer eine Entspannungspolitik mit den Staaten des von der Sowjetunion angeführten Warschauer Paktes in die Wege geleitet, die in den Ostverträgen mit der Sowjetunion, der DDR, Polen und der Tschechoslowakei mündete.

„Was die SPD auszeichnet, ist die klare Entspannungspolitik durch Brandt und Schmidt“, sagte Scholz. „Eine Politik, die möglich gemacht hat, dass der Eiserne Vorhang verschwindet, dass viele Länder Osteuropas die Demokratie gewinnen konnten und dass wir heute in der Europäischen Union vereint sind.“ Den dritten Kanzler Gerhard Schröder, der enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin aufbaute und den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland vorantrieb erwähnte Scholz nicht.

Er räumte aber ein, dass Deutschland sich in eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas begeben habe. Außerdem räumte er ein, dass man auf die Vereinnahmung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 härter hätte reagieren müssen. „Wir hätten mit einem Teil der Sanktionen, die wir jetzt verhängt haben, bereits auf die Annexion der Krim antworten sollen. Das hätte gewirkt.“

Vereinte Nationen: Mehr Anzeichen von Kriegsverbrechen in der Ukraine

In der Ukraine häufen sich nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros Anzeichen für Kriegsverbrechen. Die russischen Streitkräfte hätten wahllos bewohnte Gebiete beschossen und bombardiert und dabei Zivilisten getötet sowie Krankenhäuser, Schulen und andere zivile Infrastrukturen zerstört, berichtete das Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Freitag in Genf. Neben wahllosen Angriffen und der Verweigerung medizinischer Hilfe gebe es hunderte Berichte über willkürliche Tötungen und auch über sexuelle Gewalt. Solche Taten kämen Kriegsverbrechen gleich.

„Es gibt bereits ein Blutbad (in der Ukraine)“, sagte die Sprecherin des Büros, Ravina Shamdasani. „Wir schauen besorgt auf das, was als nächstes kommt. Auch Krieg habe Regeln, und sie müssen respektiert werden.“

Der Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk in der Region Donezk, wo am 8. April Streumunition 60 Zivilisten getötet habe, zeige, dass die Prinzipien des humanitären Völkerrechts ignoriert würden, teilte Bachelet mit. Es gebe auch immer mehr Anzeichen für willkürliche Tötungen, darunter in Butscha, dem Vorort der Hauptstadt Kiew. Zivilisten würden gegen ihren Willen festgehalten und es gebe Berichte über Folter, Misshandlungen und Verschleppungen. Fünf Verschleppte seien tot gefunden worden.

Auch ukrainische Streitkräfte hätten im Osten des Landes offenbar wahllos Waffen eingesetzt, zivile Opfer in Kauf genommen sowie zivile Infrastruktur zerstört. Ebenso gebe es Berichte, dass ukrainische Streitkräfte oder ihre Verbündeten Gefangene ohne Kontakt zur Außenwelt festhalten.

Bachelet appellierte an alle Seiten, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Dazu gehöre unter anderem, dass zwischen militärischen und zivilen unterschieden und Zivilisten nicht gezielt angegriffen werden und dass niemand gefoltert wird.

Lettland: Baltische Staaten kaufen derzeit kein russisches Gas

Estland, Lettland und Litauen kaufen derzeit kein russisches Gas und wollen dies nach den Worten des lettischen Ministerpräsidenten Krisjanis Karins auch in Zukunft vermeiden. „Zu diesem Zweck werden wir zusammenarbeiten, um genügend Gasvorräte sicherzustellen“, sagte Karins auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach einem Treffen der drei baltischen Ministerpräsidenten. „Und wir werden den unterirdischen Gasspeicher in Lettland nutzen.“

Fast 370.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland

Die Zahl der in Deutschland ankommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine steigt weiter an. Wie das Bundesinnenministerium am Freitag bei Twitter mitteilte, hat die Bundespolizei seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar die Ankunft von 369 381 Flüchtlingen aus der Ukraine festgestellt. Bei den Geflüchteten handelt es sich hauptsächlich um Frauen, Kinder und alte Menschen.

Die genaue Zahl der Menschen aus der Ukraine, die hierzulande Zuflucht gesucht haben, ist jedoch derzeit nicht bekannt, denn in der Regel gibt es keine stationären Kontrollen an den EU-Binnengrenzen und Ukrainer können für 90 Tage ohne Visum einreisen. Auch über eine mögliche Weiterreise in ein anderes EU-Land oder eine Rückkehr von nach Deutschland geflüchteten Menschen in die Ukraine liegen keine verlässlichen Daten vor.

von Sonja Álvarez, Max Biederbeck-Ketterer, Sophie Crocoll, Daniel Goffart, Max Haerder, Christian Ramthun

Ifo sieht EU bei einem Ölembargo gegen Russland in der Klemme

Europa steckt dem Ifo-Institut zufolge in einer Zwickmühle bei der Frage nach einem Stopp der Ölimporte aus Russland. „Einerseits würde mehr Zeit der EU die Möglichkeit geben, sich besser vorzubereiten, indem sie alternative Energiequellen organisiert, die Nachfrage senkt und auch die Logistik der Energieströme innerhalb der EU und in den einzelnen Ländern optimiert“, sagte Ifo-Forscherin Karen Pittel am Freitag. Andererseits sollte ein Ölembargo auch nicht ewig aufgeschoben werden. „Denn mehr Zeit würde es Russland erlauben, andere Abnehmer zu finden, während die Einnahmen aus der EU weiter fließen.“ Außerdem würden die Anreize in den Staaten der Europäischen Union verringert, sich auf einen Stopp der russischen Energieversorgung vorzubereiten.

Bei Öl sei davon auszugehen, dass ein Rückgang der russischen Lieferungen durch andere Quellen ausgeglichen werden könne, so die Expertin des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts. Aber dies für Kohle und Öl gleichzeitig zu ermöglichen, während Engpässe bei russischem Gas drohten, sei eine Herausforderung. Ein Kohle-Embargo wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die EU für den Sommer beschlossen. Allerdings dürfte ein Öl- oder Gasembargo Russland wesentlich härter treffen.

Die Auswirkungen auf die Kohle- und Ölpreise würden davon abhängen, ob das weltweite Angebot aufgrund eines Embargos verringert werde, sagte Pittel. Wenn es Russland gelinge, sein Öl und seine Kohle relativ schnell anderweitig zu verkaufen, werde der Schock für die Märkte wesentlich geringer ausfallen. In diesem Fall würden allerdings auch die Folgen für Russland gedämpft werden.

„Grundsätzlich sind hohe Energiepreise in der aktuellen Situation wichtig, da sie Verbrauchern und Unternehmen signalisieren, weniger Energie zu verbrauchen“, sagte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. „Aber einkommensschwache Haushalte brauchen Unterstützung, um mit den besonders steigenden Energiekosten fertig zu werden.“ Der Staat sollte etwa durch Zahlungen an ärmere Haushalte helfen.Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland den Vorschlag einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage abgelehnt. Moskau verlege zudem weiter Truppen für den Krieg in die Ukraine. Zuletzt konnten russische Einheiten offenbar vereinzelt Fortschritte im Donbass verzeichnen.

Keine Waffenruhe an Ostern

Die Absage einer Feuerpause zum Osterfest der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zeige, sagte Selenskyj, was der christliche Glaube und einer der fröhlichsten und wichtigsten Feiertage den Führern Russlands gelte. „Wir werden aber trotzdem die Hoffnung behalten. Die Hoffnung auf Frieden, die Hoffnung darauf, dass das Leben über den Tod siegt“, sagte Selenskyj.

Unter anderem hatte Papst Franziskus im Vorfeld des Osterfestes der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zu einer Waffenruhe aufgefordert. Orthodoxe Christen begehen Ostern in diesem Jahr am 24. April. Sie stellen die größte Glaubensgruppe in der Ukraine.

Weiter Druck auf Kanzler â€" Klingbeil verteidigt Scholz' Ukraine-Kurs

Der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Sachen schneller Waffenlieferungen für die Ukraine lässt nicht nach â€" aber inzwischen springt ihm der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil vehement bei. „Ich bin sehr froh darüber, dass wir einen Kanzler haben, der die Sachen durchdenkt und sich mit den internationalen Bündnispartnern eng abstimmt“, sagte der SPD-Chef der Deutschen Presse-Agentur. „Das erwarte ich von guter Führung: Keine Schnellschüsse, sondern durchdacht, entschieden und konsequent zu handeln und nicht jeden Tag die Meinung zu wechseln oder auf schöne Überschriften zu setzen.“

Doch aus den Reihen des Koalitionspartners Grüne und von der oppositionellen Union wird der Druck aufrecht erhalten. Der Europaausschuss-Vorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), bekräftigte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Durch das Bremsen des Energie-Embargos und der nötigen Waffenlieferungen droht die Gefahr, dass sich dieser Krieg immer länger hinzieht und Putin weitere Länder überfallen wird.“ Zugleich versicherte er, es gebe „keinerlei Zweifel an der Kanzlerschaft von Olaf Scholz“. Die sicherheitspolitische Sprecherin seiner Fraktion, Sara Nanni, forderte Scholz auf, sich deutlicher zu positionieren. „Wir brauchen Klarheit vom Bundeskanzler, was die Prioritäten sind und wie Entscheidungen fallen“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Union hat angedroht, nächste Woche im Bundestag einen Antrag auf Lieferung schwerer Waffen zu stellen, falls Scholz sich nicht bewegt. Ihr Parlamentsgeschäftsführer Patrick Schnieder (CDU) bekräftigte das in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag) und erklärte: „Der Streit in der Ampel und insbesondere das Zaudern des Bundeskanzlers beim Thema Waffenlieferungen ist mehr als blamabel und lässt Zweifel daran aufkommen, auf welcher Seite die Bundesregierung eigentlich steht.“ Der Europa-Experte Gunther Krichbaum (CDU) sagte der „Bild“-Zeitung: „Das Wegducken von Scholz hilft nur Russland.“

Die Kritik aus den Reihen der Koalitionspartner wertet Klingbeil aber als Einzelmeinungen. „Wir arbeiten in der Regierung und im Koalitionsausschuss eng zusammen und stehen gemeinsam hinter den Entscheidungen der Regierung. Wenn es einzelne abweichende Meinungen in den Parteien gibt, dann muss sich da jede Parteiführung selbst darum kümmern“, sagte er der dpa.

„Wir bewerten jeden Tag neu, was wir noch liefern können. Aber die Bundeswehr hat ihre Bestände jetzt weitgehend ausgeschöpft“, sagte er. „Das liegt auch daran, dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren heruntergewirtschaftet worden ist.“ Klingbeil wies darauf hin, dass Deutschland stattdessen Lieferungen der deutschen Industrie an die Ukraine mit viel Geld finanziert und die Bereitstellung schwerer Waffen durch Partnerländer mit Ausbildung und Munition unterstützt. Er mahnte auch zur Besonnenheit: „Wir sind uns mit unseren Partnern einig, dass man die Schwelle zum Dritten Weltkrieg nicht überschreiten darf.“

Deutschland hat zwar Waffen in die Ukraine geschickt, hält sich aber bei schwerem Gerät wie Panzern und Artilleriegeschützen bisher zurück - und hat auch Luft- und Panzerabwehrraketen nach Informationen der „Welt“ seit 25. März nicht mehr geliefert. Inzwischen hat Scholz aber angekündigt, dass Deutschland Ersatz leisten will, wenn Nato-Partner alte sowjetischer Waffen in die Ukraine liefern. Nach dpa-Informationen soll etwa Slowenien T72-Panzer abgeben und dafür deutsche Schützen- und Radpanzer erhalten.

Selenskyj: Weiter Widerstand in Mariupol

Selenskyj zufolge dauert der Widerstand in der Hafenstadt Mariupol an. Die Stadt widersetze sich weiter Russland, sagte er in der Nacht zum Freitag. „Trotz allem, was die Besetzer über sie sagen.“

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Stadt am Donnerstag für erobert erklärt. Allerdings haben sich in dem dortigen Stahlwerk Azovstal nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt. Sie gingen bisher nicht auf Putins Forderungen ein, die Waffen niederzulegen. Putin ordnete keine Erstürmung, sondern eine hermetische Abriegelung des Geländes an.

Laut dem US-Kriegsforschungsinstitut ISW ist es „eher unwahrscheinlich“, dass durch eine Reduzierung des Operationstempos in Mariupol nun signifikante Kräfte für russische Offensiven an anderen Orten im Osten frei werden. Russische taktische Bataillone hätten im Kampf um die Stadt hohe Verluste erlitten und bräuchten Zeit für eine Verlegung, heißt es in der jüngsten ISW-Analayse. Ein Teil der dort eingesetzten Truppen werde zudem für mehrere andere Missionen gebraucht, darunter die Belagerung des Asovstal-Werks oder die Sicherung der restlichen Stadt.

Ukraine: Russische Truppen haben 42 Orte in Donezk eingenommen

Laut einer Beraterin des ukrainischen Präsidentenbüros haben russische Truppen binnen 24 Stunden 42 Orte in der Region Donezk im Osten besetzt. Insgesamt kontrollierten russische Einheiten aktuell in der gesamten Ukraine mehr als 3500 Orte, sagte Olena Simonenko in der Nacht zum Freitag im ukrainischen Einheitsfernsehen. Zuletzt waren auch russische Vorstöße in der Region Luhansk gemeldet worden.

Selenskyj: Ukraine wird für Wiederaufbau Hunderte Milliarden brauchen

Wegen des russischen Angriffskriegs braucht die Ukraine nach Einschätzung von Präsident Selenskyj monatlich rund sieben Milliarden US-Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro), um ihre wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Zudem werde die Ukraine „Hunderte Milliarden Dollar brauchen, um später wieder alles aufzubauen“, sagte Selenskyj am Donnerstag per Videoschalte bei einer internationalen Geberkonferenz der Weltbank in Washington.

Die Bundesregierung will rund 37 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um Schäden zu beheben, die durch den russischen Angriffskrieg verursacht wurden. „Die Ukraine braucht dringend Wohnraum für die Millionen Binnenvertriebenen und sie braucht ein intaktes Stromnetz. Hier kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kurzfristig helfen“, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor der Weltbanktagung der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag).

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