TV-Kritik „Anne Will“: „Wenn das so weitergeht, wird es im nächsten Winter keine Ukraine mehr geben“


Mehrere tausend Menschenleben hat der Krieg in der Ukraine seit Beginn Ende Februar gefordert. Darunter hunderte Zivilisten. Die Zahlen sind ungenau, die Lage unübersichtlich. Wie viele Tote und Verletzte unter Trümmern begraben liegen, ist unklar. In einem Theater in der umkämpften Hafenstadt Mariupol sollen mehrere hundert Schutzsuchende nach einem Bombenangriff eingeschlossen sein. Rettungsmaßnahmen werden von neuen Angriffen überschattet. Die humanitäre Krise verschärft sich zusehends.

Unterdessen sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im US-Kongress und Bundestag. Während US-Präsident Joe Biden innerhalb weniger Stunden weitere finanzielle Militärhilfen auf den Weg bringt, wird im Bundestag nach der Rede Selenskyjs mit der Tagesordnung fortgefahren. Dies machen Politiker, Medien und Bürger der Regierung nun zum Vorwurf.

Ist ein Energie-Embargo der nächste logische Schritt in der Liste an Sanktionen gegen Russland, nachdem die USA dieses bereits in Kraft gesetzt haben? Unter anderem darüber diskutierten Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, Stefanie Babst (Politikberaterin und langjährige Nato-Strategin), Christoph Heusgen (Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz) sowie die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband.

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Nachdem in einem langen Beitrag über die Situation in der Ukraine, Russland und der restlichen Welt berichtet wurde, sprach Anne Will mit ihren Gästen zunächst über die missglückte Bundestagssitzung nach Selenskyjs Ansprache. „Die Idee war, diese Rede für sich stehen zu lassen", sagte Christine Lambrecht. Sie habe aber schon kurz danach gemerkt, dass es eine falsche Entscheidung gewesen sei, keine Debatte auf die Ansprache folgen zu lassen. „Diese Worte haben einen so berührt, und da will man etwas zu sagen."

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Eine Debatte sei später am Tag ohnehin noch geführt worden. Auch Alexander Graf Lambsdorff sah Verbesserungspotenzial. „Wir hatten am Tag davor eine ganz hochkarätige Debatte zur Ukraine, die hätte man ohne Probleme auf den Vormittag des Folgetages schieben können." Die Entscheidungen darüber würden allerd ings die geschäftsführenden Gremien des Bundestages treffen. „Ich glaube, die sind noch zu sehr im Routinemodus und haben noch nicht richtig verstanden, wie sehr das auch die Leute in unserem Land aufwühlt."

Angesichts dieser Äußerungen könnte man unterstellen, dass sich hinter der Verlegung von gewissen Debatten nur Taktiken im Sinne guter Öffentlichkeitsarbeit verstecken. Die Umfragewerte von Parteien, zukünftige Wahlen und andere Faktoren treten angesichts eines Krieges in Europa zwar eindeutig in den Hintergrund – verschwinden werden sie deshalb aber nicht. Enttäuschungen bei der Bevölkerung sollten also durch die frische Regierung vermieden werden.

Gleichzeitig muss aber ganz klar festgestellt werden, dass jegliche Form der Zusicherung und Aufmerksamkeit gegenüber der Ukraine nur helfen kann – egal, ob dahinter Kalkül oder tatsächliche Sorge steckt.

Welche große Rolle Symbolik in diesem Konflikt spielt, zeigen nicht zuletzt Putins Se chs-Meter-Tisch, die allgegenwärtigen ukrainischen Farben und nicht zuletzt Wolodymyr Selenskyj selbst.

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Angesichts der katastrophalen Lage in der Ukraine kann über eine solche „Belanglosigkeit" wie eine verbockte Tagesordnung im Bundestag nur der Kopf geschüttelt werden. Bundesverteidigungsministerin Lambrecht zweifelte, ob Deutschland derzeit ein Embargo russischer Energieimporte überhaupt durchhalten könnte. „Es wäre viel schlimmer, wenn wir dann wieder einknicken müssten", sagte sie.

Dies könnte der Fall sein, wenn viele Arbeitsplätze verloren gingen oder die Preise weiter stiegen. „Das wäre eine verheerende Wirkung." Wichtig sei, dass man sich auf lange Sicht unabhängiger von russischen Energielieferungen mache. Jetzt aber müsse man die Sanktionen gegen Russland durchhalten – „und die wirken".

Besonders eindrücklich, da selbst betroffen, schilderte Marina Weisband die Lage in ihrem Heimatland. Sie hält Kontakt zu Verwandten, die vor Ort ausharren.

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„Meine Familie wünscht sich mit ganzem Herzen eine Flugverbotszone, weil das im Moment ganz klar einfach Menschenleben rettet - jetzt – heute – unmittelbar – vor den Bomben, die dort fallen." Sie könne diese Sicht nicht unterstützen, obwohl ihr dies schwerfalle. Eine solche Verbotszone würde einem Quasi-Eintritt der Nato in den Krieg gleichkommen und damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine atomare Auseinandersetzung provozieren.

Es sei dann jedoch unabdingbar alle wirtschaftlich möglichen Konsequenzen zu ziehen. Um den Krieg „zumindest nicht mitzufinanzieren […], de facto überweisen wir Geld, das benutzt wird, um den Rubel (russische Währung) zu stabilisieren." Die Rede ist von Beträgen im dreistelligen Millionenbereich, die jeden Tag unter anderem für Gas und Kohle an Russland gehen.

Zu den Maßnahmen, die Weisband forderte, gehört ein Energie-Embargo. Sie zeigte sich über die zögernde Haltung der deutschen Regierung enttäuscht. „Wenn es so weitergehe, dann sei im „nächsten Winter und übernächsten Winter nichts mehr von der Ukraine übrig".

An dieser Stelle kam die Diskussion ins Rollen, da sich alle Anwesenden über d ie Notwendigkeit eines Energie-Embargos einig waren, aber vor allem die Gäste in politischen Positionen die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft als wichtigen Faktor ins Auge fassten. „Wenn wir etwas machen, dann müssen wir das auch längerfristig durchhalten." Es wäre fatal Sanktionen zu verkünden, die schließlich wieder eingestellt werden müssten.

Grundsätzlich ist an diesen Aussagen viel Wahres, doch lösen sie das Problem von größter Aktualität nicht. Wie kann verhindert werden, dass der Krieg für alle Seiten jeden Tag blutiger wird? Wie können so viele Leben wie möglich vor Flucht, Zerstörung und Tod bewahrt werden?

Auch Stefanie Babst sah noch viel Eskalationspotenzial in der derzeitigen Lage. Putin würde, so Babst wohl versuchen die eingenommenen Regionen zu stabilisieren, zu halten und weitere Orte von militärischer Relevanz angreifen. „Zurückrudern kann er nicht." Er versuche eine Pufferzone herzustellen , die Russland umgebe.

Christoph Heusgen machte deutlich, dass er ein Energie-Embargo, welches so schnell wie möglich in Kraft treten sollte, unterstütze. Anstatt aber alle Hähne zuzudrehen, ward er andere Strategien in den Raum. Beispielsweise halte er es für sinnvoll, weiter Lieferungen aus Russland zu akzeptieren, aber das Geld auf einem Treuhandkonto zu sammeln. Später könne dieses Geld dann für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden. So würde eine Kriegsfinanzierung durch Deutschland verhindert werden, aber keine Lieferengpässe und damit einhergehende wirtschaftliche Risiken forciert. Die Frage, ob Putin dann Lieferungen verweigern würde, blieb offen.

Die rote Linie der Nato

Die Nato kommunizierte von Anfang an klar, dass eine kriegerische Beteiligung ihrer Staaten im Konflikt um die Ukraine ausgeschlossen sei. Lediglich ein russischer Angriff auf einen Mitgliedstaat würde diese Lage ändern. Ganz klares Messenging sei das gewesen, erklärte Babst.

Da Putin diesen Angriff, mit allen Konsequenzen, bisher nicht riskierte, sondern es bei Drohungen beließ, entstand eine Art „Situationsvakuum". In diesem laufen die Kämpfe weiter, aber alle diplomatischen Bemühungen scheinen ausweglos verfahren. Im Wesentlichen ändert sich nichts – außer das tagtäglich mehr Menschen sterben.

Kein Wunder also, dass Weisband sich am Ende der Diskussion enttäuscht und frustriert zeigte. Es ist ihr Volk, das hier leidet. „Bei uns gilt weiterhin das Recht des Stärkeren auf der Welt. Solange das so gilt, kann kein kleines Land sich neben einem stärkeren Land sicher fühlen." Ihr Gefühl der Verzweiflung wurde vor allem am Ende der Sendung deutlich.

Sie betonte in ihren abschließenden Sätzen das „Wir" – bezog sich also aktiv in die deutsche Gesellschaft mit ein. Gleichzeitig merkte man, dass auch sie sich zutiefst durch den Angriff auf die Ukraine verletzt fühlt und mit den Menschen leidet. Eine Person wie sie, die zwei Nationalitäten in sich vereint, zeigt auf, wie sehr wir in „unseren" Nationalitäten verharren, selbst wenn das grundlegendste Recht des Menschen auf seine Würde verletzt wird und wir uns eigentlich alle angesprochen fühlen sollten.

„Ich verstehe, dass wir alles tun, um die Ukraine zu unterstützen. Solange uns das militärisch nicht gefährdet, solange es uns wirtschaftlich nicht gefährdet, solange es keine Unannehmlichkeiten bereitet und wir keine Arbeitslosen haben."

„Diese Menschen sind genauso real, wie die Menschen hier. Die sterben gerade. Ich glaube, wir brauchen eine neue Sicherheitsordnung für die Welt", forderte Weisbrand.

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